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Sie ist die Königin der Prachtbauten an der Wiener Ringstraße – die Wiener Staatsoper. Heuer feiert sie ihr 150-jähriges Jubiläum. Ein technischer Rückblick.

Die Wiener Staatsoper ist aufgrund ihrer künstlerischen Bedeutung und dank zahlreicher über die Jahre getätigten Verbesserungsarbeiten eines der bekanntesten und technisch herausragendsten Opernhäuser der Welt. Foto: ANNO/Österreichische Nationalbibliothek

Alles begann im Jahr 1861, als die beiden Architekten Eduard van der Nüll und August von Sicardsburg der Auftrag erreichte, den Bau der Wiener Staatsoper auszuführen. Sicardsburg entwarf den Grundplan, van der Nüll war für die Innendekoration zuständig. Beide starben noch vor der Eröffnung des Opernhauses, wodurch die Bauleiter Gugitz und Storck die Fertigstellung der Staatsoper übernahmen. Am 25. Mai 1869 war es so weit: Die Wiener Staatsoper eröffnete feierlich mit Mozarts „Don Juan“. Keine achtzig Jahre später beendeten Bombardements im Jahr 1945 die ersten glorreichen Jahrzehnte des Opernhauses. Sie verwüsteten das Haus am Ring weitgehend bis auf die Hauptfassade, die Feststiege und das Schwindfoyer. Erst 1955 wurde die Staatsoper wiedereröffnet – mit neuem Zuschauerraum und modernisierter Technik. An der Wiedereröffnung war u. a. Waagner-Biro Stage Systems beteiligt. Das Unternehmen verantwortete auch in den Folgejahren wesentliche Verbesserungen im Opernhaus.

Komplett neue Bühnentechnik

Von 1992 bis 1996 wurde die Wasserhydraulik durch eine neue Ölhydraulik ersetzt sowie die Prospect- und Punktzüge in der Oberbühne und wesentliche mechanische Antriebselemente unter Beteiligung der Firmen Mannesmann-Rexroth und Ing. Batik (für Hydraulik und Elektrik) erneuert. lm Hauptbühnenbereich sanierte Waagner-Biro die sechs Hubpodien. Mit je 3 x 18 m in der Fläche können die Podien 11,15 m unter bzw. 2,5 m über Bühnenniveau verfahren werden. Drei der Hubpodien haben eingebaute Versenkungen. Jedes Podium (Eigengewicht: 30 t) trägt 49 t Nutzlast. Das ermöglicht den Transport von zwei je 18 t schweren Bühnenwagen bei 250 kg/m2 Nutzlast durch ein einziges Podium. Auch bei den Hubpodien ersetzte man die alten Wasserzylinder durch neue ca. 14 m lange Hydraulikzylinder mit 230 mm Kolbendurchmesser. Weiters wurden die Verriegelungsantriebe, die Führungen sowie die komplette hydraulische und elektrische Steuerung erneuert und mit modernster Computersteuerung ausgestattet, um geringe Gleichlauf- und Zieltoleranzen zu erzielen.
Auf der Oberbühne tauschte man 46 hydraulische und 6 elektromechanische durch 52 neue elektromechanische Prospektzugwinden. Diese wurden mit Kurzschlussläufer-Motoren mit flussorientierter Vektorregelung ausgestattet, welche ein Regelverhältnis von 1:1000 erlauben und dadurch Geschwindigkeiten von 0,0012 m/sec bis 1,2 m/sec gefahren werden können. Neu waren auch 16 Punktzüge, von denen jeder 500 kg trägt, eine Antriebsleistung von 5,5 kW besitzt und deren Seile über Umlenkrollen am Schnürboden in jede gewünschte Position gebracht werden können. Waagner-Biro stattete die Oper zudem mit einer neuen elektromechanischen Punktzuganlage aus, die aus 24 Einzelpunkten mit einer Tragkraft von 80 kg besteht und etwa dem Verhängen von Rundhorizonten dient. Durch das Aufstellen von Versatzrollenböcken kann jeder beliebige Punkt der Bühne erreicht werden. Außerdem bietet die Anlage stufenlos regelbare Geschwindigkeit, Synchronlauf jedes gewünschten Punktzuges zueinander und Gruppenbildung mit gegenläufiger Bewegung. Um das Platzangebot zu verbessern, wurden alle Oberbühnenantriebe in den Dachraum über dem Schnürboden verlegt. Die erneuerten Antriebe der Beleuchterzüge und der Portalbrücke integrierte man in die Unterbühne. Außerdem wurden die Antriebe der kompletten Vorhangzone und der Sicherheitseinrichtungen ausgetauscht, darunter der eiserne Vorhang, die Hinterbühnenkurtine und die Seitenbühnen. Um die Transporte von Bühnenteilen und Dekorationselementen zu verbessern, modernisierte Waagner-Biro den Prospektaufzug, die Versenkbrücke, drei Bühnenwagen und den Kulissenwagenaufzug. 2007 kam es zur grundlegenden Modernisierung des Steuerungssystems der gesamten Untermaschinerie. 2008 erfolgte die Aufwertung der Obermaschinerie mit dem CAT V4-Steuerungssystem. Waagner-Biro ist auch heute noch für die jährliche Wartung zuständig und dafür verantwortlich, dass die Staatsoper ihre geplanten Aufführungen störungsfrei über die Bühne bringt.

Einwandfreier Klang

Noch bevor die Oper 1869 eröffnet wurde, testete man in einer öffentlichen Probe die Akustik. Es war ein Desaster: Die Bläser waren kaum hörbar, der Chor hallte. Der damalige Kapellmeister Otto Dessoff schlug deshalb vor, den Orchesterboden zu erhöhen. Seitdem ist die baulich bedingte Raumakustik bemerkenswert. Dasselbe gilt für die Elektroakustik, die etwa dann ins Spiel kommt, wenn Inszenierung oder Bühnenbild angepasste Lösungen benötigen: Für das passende Hörerlebnis sorgt u. a. Athanasios Rovakis. Er leitet den Bereich „Ton- und Videotechnik“ an der Wiener Staatsoper, verantwortet die Ton- und Projektionstechnik während den Vorstellungen und kümmert sich um die Abwicklung des Streamings „Wiener Staatsoper live at home“. Prof. Ing. Wolfgang Fritz, vorheriger Cheftonmeister am Haus, erzählt von den wichtigsten ton- und videotechnischen Veränderungen in den letzten 35 Jahren: „Das Bühnenportal links und rechts wurde umgebaut, um Lautsprecher neuester Technologie einrichten zu können. Das Oberportal wurde über die ganze Breite geöffnet, um Effektlautsprecher und einen heb- und senkbaren Lautsprechercluster einbauen zu können. Die Sprachverständlichkeit bei Veranstaltungen vor dem eisernen Vorhang konnte durch das Einsetzen des Clusters verbessert werden. Um mehrkanalige Toneffekte und Raumsimulation sowie eine Erweiterung von Beleuchtungsmöglichkeiten im Zuschauerraum einrichten zu können, wurden im Deckenkranz links und rechts von vorne nach rückwärts Öffnungen eingeschnitten und die rückwärtigen Projektionsöffnungen vergrößert.“ Zwar gebe es, so Fritz, Bereiche in der Oper, die schwierig mit Lautsprechern abzudecken seien. Aber diese habe Fritz‘ Nachfolger Rovakis verbessert, indem sie nun von weiteren, modernen Lautsprechern bestrahlt werden. „Wir haben alle möglichen Lautsprecherpositionen ausgebaut, damit viele kreative Beschallungsszenarien möglich werden“, bestätigt Rovakis. Das sei aufgrund der großen Dimensionen des denkmalgeschützten Hauses und der Bühne keineswegs selbstverständlich. Um Projektionen zu ermöglichen, ist in der Tonregie ein Videoprojektor eingebaut worden, mit aufwendiger Schall-Isolierung und Lüftung. Heute entspricht die Tontechnik an der Wiener Staatsoper den technischen Standards: Schon seit Ende der 90er-Jahre sind digitale Mischsysteme im Einsatz. Ein Vorreiter war das Mischpult der Firma TOA, bei dem die praxisnahe Automation hervorzugeben sei, wie Rovakis erklärt. Einen Teilbereich der gesamten Anlage bildet das Sub-Mischsystem welches von der Firma Kain installiert und programmiert wurde. Für das 2009 implementierte BSS Soundweb BLU entschied sich die Wiener Staatsoper, um separate Audiomischungen von Orchestermonitoring, Außenbeschallungsbereich und Mitschnitt der Vorstellungen zu ermöglichen.

Stimmungsvolles Licht

20 m über Bühnenniveau befindet sich die Schnürbodenarbeitsgalerie. Der Schnürboden ist mit 96 Schnürbodenlatten mit je 19 m Länge ausgerüstet, in der man 400 kg einhängen und hinauf und hinunter fahren kann. Die Hälfte davon ist computergesteuert, die andere Hälfte muss händisch gezogen werden. Vom Schnürboden werden Prospekte oder Wände hinuntergefahren sowie Luster und Lampen aufgehängt. Nicht ganz so modern war es zum Zeitpunkt der Eröffnung, wie Sicardsburg beschrieb: Es gab Portalbeleuchtungen, 16 Kulissen-Beleuchtungen, eine Portalsoffitte und 13 weitere Soffitten, die teilweise Argand-, teilweise aber Schmetterlingsbrenner enthielten. Heute sorgen Scheinwerfer unterschiedlicher Art für die stimmungsvolle Beleuchtung jeder Vorstellung. Darunter sind LED-Halogenscheinwerfer, Glühfadenlampen oder Horizontleuchten, die, unterschiedlich eingefärbt, Tag- oder Nachtstimmungen erzeugen können. Um das Licht für die Vorstellung einzustellen, braucht es etwa 1,5 bis 2 Stunden, bevor sich der eiserne Vorhang schließt und das Publikum eingelassen wird.

 

Blick in den Zuschauerraum der Wiener Staatsoper. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Die Drehbühne hängt – gefaltet wie ein Buch – in einer 18 x 19 m großen Kassette im Drehbühnenschlitzraum über der Hinterbühne, ihr Durchmesser beträgt 17,5 m. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Die Unterbühne befindet sich unter dem Bühnenboden. Auf 1.000 m2 werden hier Bühnenausstattungen zwischengelagert und auf- und abgebaut. Mittels Bühnenhilfswagen wird ein schneller Transport ermöglicht. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Die Hubpodien können in die Höhe gestaffelt werden, um verschiedene Auf- und Abtrittmöglichkeiten zu schaffen. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Werden die Hubpodien nach unten gefahren, öffnet sich der Bühnenraum zu einem großen Ganzen. Hier im Bild wird auf der Hinterbühne der 1. Akt von Carmen für die Vorstellung eingerichtet und auf der Unterbühne die Ausstattung für La fanciulla del West für die bald beginnenden Bühnenproben zusammengebaut. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Blick von der Unterbühne durch den Zuschauerraum hinauf in den Schnürboden, eine lichte Höhe von über 40 m. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Schnürboden mit rund 100 Prospektzügen. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Hydraulikzylinder zum Heben der 6 Bühnenpodien von maximal je 27 t. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Beleuchtungsgerüste mit 80 eingebauten computergesteuerten Moving Lights. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Mit Bodenstrahlern und Beleuchtungsladen kann der Bühnenhorizont etwa mit blau gefärbtem Licht von hinten ausgeleuchtet werden. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Soundweb Systems: Die Matrix zeigt die Anzahl und Komplexität der zahlreichen Presets und die Fülle an Ein- und Ausspielungen. Foto: Alexander Reitterer/Kain-Audio

Die beiden Eisernen Vorhänge, links der hintere von der Hauptbühne aus gesehen und eine Brandschutz-Schiebetüre und eine Feuermauer, um die Bühne im Falle eines Brandes abzuriegeln. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Zuschauerraum mit Parkett, Parterre und Orchestergraben, 1. Rang, 2. Rang und Balkon. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Orchestergraben für 105 Musikerinnen und Musiker, der Zuschauerraum mit 1.709 Sitzplätzen, 567 Stehplätzen, und 22 Plätzen für Rollstuhlfahrer. Foto: Lois Lammerhuber/Edition Lammerhuber

Die Untertitel-Anlage ist einer der aktuellsten und auffallendsten Aufrüstungen in der näherer Vergangenheit und umfasst 2.121 mit Kabel angesteuerte hochauflösende Displays. Foto: lemon42

Technische Daten

Bühnenbereiche:

  • Hauptbühne (673 m2), Hinterbühne (505 m2), Seitenbühne (192 m2), Hinterbühnenmagazin (270 m2), Unterbühne (423 m2), Unterbühnenmagazin (230 m2)
  • Drehbühne: 17,5 m Durchmesser
  • Bühnenhaus: Gesamthöhe 54 m (37 m über der Bühne, 17 m unter der Bühne)
  • Schnürbodenhöhe: ca. 27 m

Drei Orchesterpodien:

  • 0,1 m/s; Hub: 3,6 m; Nutzlast 1 x 14 t, 2 x 3,5 t

Hauptbühne:

  • Eiserner Vorhang: 14,9 m x 12,3 m; 0,3 m/s Hubgeschwindigkeit; 1 m/s Notschlussgeschwindigkeit; Hub 12,6 m
  • Hinterbühnentor: 21,7 m x 12,8 m; 0,3 m/s, Hub 12 m
  • Hauptvorhang: 16 m x 13 m; Vorhang 7,5 kN (raffen, teilen)
  • Schallvorhang: 13,6 m x 13,3 m; 0-1,0 m/s; Last 1,5 t
  • 53 Prospektzüge: 400 kg; 0–1,2 m/s; Hub 25,8 m
  • 24 Punktzüge im Bühnenbereich: 500 kg; 0–0,6 m/s
  • 3 Bühnenbrückenwagen: 18 m x 3  m x 1,25 m, 0,3 m/s; Verfahrweg 15,1 m; Last 27 t
  • 6 Hauptpodien: 18 m x 3 m; 0,3 m/s; Hub: 13,7 m; Last 47 t
  • Versenkbrücke: 14 m x 2,5 m x 1 m; Verfahrweg 5,55 m; Last 7.000 kg
  • Prospektaufzug: 22 m x 1 m; 0,3 m/s; Hub: 10,35 m; 5 t
  • Transportpodium: 22 m x 3 m; 0–0,3 m/s; Hub: 11,45 m; 4 t
  • Computersteuerung: CAT

www.wiener-staatsoper.at

Von Elisabeth Stuppnig

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