Ein überdimensionales Blatt Papier schwimmt auf dem Gewässer des Bodensees – ungefähr 1300 m2 ist das Papierbild groß, das als Bühne für Puccinis Madame Butterfly dient. Auf der speziellen Konstruktion wird die Oper in drei Akten, unter musikalischer Leitung von Enrique Mazzola und Yi-Chen Lin und inszeniert von Andreas Homoki, zu bewundern sein.
Auf Papier gebaut
Die Papierfläche wird mit Licht und Videomapping bespielt, und ändert sich je nach Spielsituation. Wenn der laue Sommerabend startet und die eindrucksvollen Klänge zu vernehmen sind, ist es noch hell. Im Laufe der Inszenierung sehen die Zuschauenden die Sonne, im Westen über dem Wasser des Bodensees, untergehen. Dieses Lichtspiel und noch weitere sind in die Dramaturige des Stücks eingeflossen. Je dunkler es wird, umso besser funktioniert das Lichtspiel, welches in Richtung Norden gezeigt wird. Wolfgang Urstadt, der technische Leiter der Bregenzer Festspiele, sagt über den gerade stattfindenden Aufbau der Bühne: „Das Besondere für mich bei diesem Bühnenbild ist, dass es eine Ikone ist. Alleine dieses Bühnenbild im Aufbau zu sehen, noch ohne Licht und alles weitere, hat schon eine tolle Wirkung. Das Besondere ist, man bekommt irgendwann ein Bühnenbild beziehungsweise das Konzept dafür vorgestellt, und es natürlich ein wahnsinnig langer Weg bis man alles so umsetzen kann. Es dann in echt zu sehen, hat eine ganz andere Wirkung als es am Bildschirm oder mit einer 3D-Brille zu sehen. Dieses besondere Bild von Madame Butterfly hat sich mit der Zeit entwickelt. Es ist ikonisch, auch ohne bespielt zu werden!“ Ein offener Uferweg bietet Passant:innen die Möglichkeit den Aufbau der Bühne zu bestaunen. Urstadt führt weiter fort: „Viele rätseln was da wohl passiert – Es regt zur Fantasie aller an.“
Live-Musik durch Übertragung
Eine besondere Herausforderung ist die Tontechnik: Während auf der schwimmenden Seebühne die Sänger:innen performen sitzen das Orchester und der Chor im großen Haus und werden mit Ton und Bild live nach draußen übertragen. Der Dirigent sieht was draußen passiert, und hat auch Close-Ups von den jeweiligen Solist:innen. Auch das Orchester sieht über einen Monitor was bei der Seebühne vor sich geht, damit sie verfolgen können für wen sie eigentlich spielen. Das Bild des Dirigenten wird ebenfalls zur Seebühne übertragen, wobei eine geringe Zeitverzögerung entsteht. Allerdings müssen die Sänger:innen dem entgegenwirken: Sie müssen mit dem Dirigenten mitsingen, und nicht, wie normalerweise, mit der Musik vom Orchester.
Richtungshören nun auch in Bregenz
Dazu kommt eine seit 2004 komplett überholte Tonanlage: Seitdem arbeiten die Bregenzer Festspiele mit dem Frauenhofer Institut, sowie mit der Mischpult-Herstellungsfirma Lawo. Man entwickelte einen spezifischen Raum-Klang mit Richtungshören, um den Zuschauenden das bestmögliche Hörerlebnis zu verschaffen. Richtungshören bedeutet, dass alle Zuschauenden, auch die in der letzten Reihe, eine singende Person von dort hören, wo sie auch steht und lokal den Klang der Stimme orten kann.
Delay-Lines als Antwort
Ein weiteres Spezifikum dieser Tonanlage ist, dass es Freiluft oftmals einen Geräuschpegelabfall gibt. Also je weiter man weg sitzt von der Bühne, umso leiser wird der Geräuschpegel, weil es keine Reflektion gibt. Im Umkehrschluss bedeutet das, man muss einen extrem hohen Pegel fahren. Oder, und so lösen es die Bregenzer Festspiele, Delay-Lines stellen. Indem man sie in gewissen Abständen stellt, muss man den Schalldruck nicht so hochfahren und die Ton-Verzögerung verbessert sich. Das Signal ist in der letzten Reihe, wie auch ersten Reihe gleichzeitig. Vor zwei Jahren wurde das System neu aufgesetzt und die Firma Müller BBM für Elektro und Raum Akustik aus München mit ins Boot geholt. Zusammen entwickelten sie ein spezielles Raum-Simulationsprogramm namens Vivace, das auch in anderen Häusern, wie der Oper Sydney, eingesetzt wird. Die Lautsprecher befinden sich auf drei Ebenen, und jede Ebene deckt ein anderes Feld im Zuschauer:innenaum ab. Zusätzlich gibt es Beschallung von vorne. Der Gesamtklang wird im Zusammenspiel mit den beiden Tonsystemen erreicht. Schwerpunktmäßig sind sie für unterschiedliche Themen zuständig: Das Tonsystem auf der Zuschauertribüne, ist vor allen Dingen für die Raumsimulation zuständig, und das was von vorne kommt, hauptsächlich für das Richtungshören. Das eine braucht aber auch das andere.
Mit dieser technischen Vielfalt und gefinkelten Ton- sowie Bühnenbild-Ideen bleibt nur mehr die Freude auf das Stück. Spannend bleibt aber doch die Frage, ob diese Aufführung von Madame Butterfly, wie viele davor, für die Wahl weißer Sopranistinnen in der Rolle, der japanischen Butterfly, kritisiert werden kann.
(ip)