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Von Mai bis August arbeitete das Team der Berliner Volksbühne an einer umfangreichen Modernisierung der Beschallungsanlage. Die Endabnahme erfolgt Anfang Oktober. Über Herausforderungen und Chancen moderner Beschallung erzählt Klaus Dobbrick, Leiter der Ton- und Videoabteilung.

Die Modernisierung der Beschallungsanlage umfasst nahezu alle Bereiche der Ton- und Video-Infrastruktur. Foto: Volksbühne Berlin

Was macht die Akustik an der Volksbühne so besonders, verglichen mit anderen Schauspielhäusern?

Die Berliner Volksbühne war ursprünglich für etwa 1.500 Zuschauer:innen konzipiert. In den siebziger Jahren wurde das Parkett des großen Saals zugunsten deutlich besserer Sichtverhältnisse umgebaut und die Kapazität auf ca. 900 Plätze reduziert. Geblieben ist jedoch der für ein Schauspielhaus ungewöhnlich große holzgetäfelte Zuschauerraum, eine sehr große Bühne mit einem gemauerten Rundhorizont und einem Kathedralen-ähnlichen Bühnenturm. 

Wie hängt dies mit Notwendigkeit einer Erneuerung zusammen?

Die Nachhallzeit im Saal liegt bei 1,5 s und die Sprachverständlichkeit ist platzabhängig recht unterschiedlich. Vorgabe war es, die Beschallungsanlage für diese speziellen Verhältnisse zu optimieren, die „akustische Versorgung“ für alle Plätze in ihrer Unterschiedlichkeit zu optimieren.

Wo lagen die Schwachstellen der alten Beschallungsanlage?

Unsere alte CANTUS-NEXUS-Anlage arbeitete fehlerfrei bis zum letzten Vorstellungstag. Doch es gab z. B. eine Limitierung auf 128 Audiokanäle, in der täglichen Arbeit fehlten immer öfter moderne Schnittstellen wie zum Beispiel DANTE. Die T-Arrays der Front-PA liefen bei einigen Konzerten und mancher Inszenierung doch etwas am Limit und die Schallverteilung im Saal konnte aufgrund des fehlenden Array-Processings nicht weiter optimiert werden. Auch die E3-Saal-Lautsprecher und die F2/B1- und E9-Systeme auf der Bühne waren nach über 25 Jahren Dauereinsatz nicht mehr im Vollbesitz ihrer Kräfte.

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Foto: Volksbühne Berlin

Was umfasste nun die Modernisierung der Beschallungsanlage?

Nahezu alle Bereiche der Ton- und Video-Infrastruktur. Ausgangspunkt und wichtigste Maßnahme war die Erneuerung des FOH-Platzes und der Audio-Matrix zur Verteilung der Signale im ganzen Haus. Darüber hinaus wurden wesentliche Teile der Beschallung und das Kupfer- und Glasfaser-basierte Netzwerk für Audio und Video im gesamten Haus erneuert, ergänzt bzw. deutlich erweitert. Die Zahl der Versätze im ganzen Haus wurde aufgestockt, die Funktionalität bestehender Anschlüsse den gestiegenen Anforderungen angepasst. Zudem wurde eine neue SDI-Videokreuzschiene installiert und die vorhandene Server-Infrastruktur in die Anlage integriert.

Das klingt nach viel Arbeit, zumal das Gebäude der Volksbühne ja unter Denkmalschutz steht. Was war die größte Herausforderung bei der Erneuerung?  

Richtig, die Raumakustik ist aufgrund der Vorgaben des Denkmalschutzes im Prinzip unveränderbar und ein Einbau von akustischen oder elektroakustischen Komponenten nur sehr bedingt möglich. Gerade im Bereich der Vorbühne drängen sich viele für das Theaterspielen notwendige technische Anlagen, Scheinwerfer, Züge, Lautsprecher, Versätze etc. Hier war eine genaue Abstimmung zwischen den Gewerken besonders notwendig und es mussten Kompromisse gefunden werden. 

„Wir sind heute viel mehr als früher mit Netzwerktechnik konfrontiert, was neben vielen Möglichkeiten natürlich auch Gefahren und Probleme in sich birgt.“

Welche Technologie kommt nun zum Einsatz?

Wir haben uns wieder für Produkte der Firmen Stagetec und d&b-Audiotechnik entschieden. Das neue System aus einem 48-Fader-AVATUS-Pult und einer NEXUS-Kreuzschiene mit elf Basisgeräten baut auf der vorher vorhandenen Infrastruktur auf, bestimmte Baugruppen konnten nach einem Update weiterverwendet werden. Zusätzlich besitzen wir nun zwei mobile AVATUS-Pulte für Einsätze auf der Bühne oder an anderen Plätzen im Haus. Als Frontbeschallung wurden zwei V-Line-Arrays (acht Tops, zwei Subs), als Center-Cluster zwei AL90-Systeme installiert. Der Saal wurde komplett mit E8-Delay-Lines ausgestattet, die Bühne mit E12-Lautsprechern und T-Arrays bestückt. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl frei programmierbarer Lautsprecher-Wege, die auf den Versätzen aufliegen und für diverse Anwendungen genutzt werden können (punktuelle Beschallung im Bühnenbild, Monitoring bei Konzerten etc.).

Warum haben Sie sich für diese Technologien entschieden?

Wir haben mit Stagetec und d&b schon immer gute Erfahrungen gemacht. Ein weiterer Pluspunkt ist die Kompatibilität: Unsere neuen Systeme sind ohne Probleme mit allen vorhandenen Lautsprechern kompatibel.

Wird sich die Arbeitsweise für Ihre Mitarbeiter:innen verändern?

Ja, definitiv. Wir sind heute viel mehr als früher mit Netzwerktechnik konfrontiert, was neben vielen Möglichkeiten natürlich auch Gefahren und Probleme in sich birgt. Das ist der Gang der Dinge, das Innovationen auch immer neue potenzielle Konflikte in sich bergen.

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Foto: Volksbühne Berlin

Werden die alten Technologien weiterhin Verwendung finden?

Ja. Eine Theaterinszenierung ist eine Gemeinschaftsarbeit vieler Beteiligter, von Regie und Schauspiel bis zu Licht, Maske und Requisite. Oft sind hier Rahmenbedingungen gefragt, die eine optimale Beschallung schwierig machen können. Es können zum Beispiel Lautsprecher im Bühnenbild gefragt sein, die möglichst gut klingen, aber eine vorgegebene Bauform einhalten müssen. Oder man möchte bewusst weg vom Hightech-Sound eines Arrays und lieber den hervorragenden Fullrange-Klang z. B. einer F1220 bei einer Inszenierung einsetzen.

„Das Kino prägt extrem die Sound-Erwartungen der Zuschauer:innen und da wird es auch in Zukunft sehr anspruchsvoll und nicht unbedingt leichter für das Theater.“

Gibt es ein weiteres altes System, das auch heute noch zum Einsatz kommt?

Wir besitzen aus der „Frühzeit“ der Theaterbeschallung noch eine 100-V-Anlage, auf die von vielen Versätzen zugegriffen werden kann. Für „exotische“ Bastel-Lösungen, Effektlautsprecher usw. ist dieses System gelegentlich immer noch das Mittel der Wahl.

Sind spannende Inszenierungen geplant, in denen die neue Technologie herausstechen wird?

Ich gehe davon aus, dass die Anforderungen im Laufe der neuen Spielzeit kontinuierlich wachsen werden. Erfahrungsgemäß werden die Wünsche den technischen Möglichkeiten schnell folgen oder sie sogar überholen. Dabei gibt es natürlich Trends, wie z. B. eine Zeitlang den Ruf nach Surround, nach Bewegungen im Saal. Diese Wünsche sind momentan eher selten. Aber natürlich prägt das Kino insgesamt extrem die Sound-Erwartungen der Zuschauer:innen und da wird es auch in Zukunft sehr anspruchsvoll und nicht unbedingt leichter für das Theater.

Warum kam es genau jetzt zur Sanierung? 

Die Sanierung war überfällig, da unsere alte Stagetec-Anlage fast zwanzig Jahre im Einsatz war. Es gab klare Aussagen des Herstellers, dass bestimmte Baugruppen gegebenenfalls nicht mehr reparabel gewesen wären. Darüber hinaus waren eben auch Grenzen gesetzt, an die wir immer öfter stießen. Ich bin sehr dankbar, dass vom Träger unseres Hauses, dem Land Berlin, das Geld für eine umfassende Sanierung bereitgestellt wurde und die Modernisierung letztlich so komplikationsarm über die Bühne ging.


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