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… wenn mehr technologische Entwicklungen wie VR und AI in den künstlerischen Alltag strömen? Ein Interview mit Lisa Zingerle, Co-Direktorin des Schubert Theaters in Wien.

Aaron Swartz aus der Projektreihe „Aaron’s law“ im Wiener Schubert Theater. Foto: Annemarie Arzberger

PROSPECT: Von KI-Konzerten über Androiden im Theater bis zur Virtual-Reality-Zirkusvorstellung bringt das Schubert Theater in Wien unter dem Projektnamen FUTURE LAB technologisch Experimentelles auf die Bühne. Wie kam es dazu?

Lisa Zingerle: Wir als Schubert Theater haben ein grundsätzliches Interesse an neuen Technologien, und wenn möglich, verweben wir sie gerne in unsere Arbeitsprozesse. Zum Beispiel hat Simon Meusburger für die Produktion „Projekt Pinocchio“ bereits 2018 erstmals mit einer KI gemeinsam eine Stückfassung geschrieben, 2020 drehten wir eine digitale Puppen-Miniserie und seit 2021 ist unser virtuelles Puppenmuseum online. Während den Lockdowns ist viel vom digitalen Theater und Online-Theater die Rede gewesen, doch niemand wusste genau, was das eigentlich ist. Und nachdem nun erschwingliche VR-Brillen auf dem Markt sind, hat sich das Feld gleich nochmal erweitert. Das wollten wir uns genauer ansehen, und eigene Experimente sowie Best-Practice-Beispiele von Kolleg:innen vorstellen. 

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Szene aus dem Stück „1-0-1-robots – hacking the binary code“ vom Berliner Figurentheaterkollektiv manufaktor. Foto: Kathleen Kunath

Was beinhaltet das FUTURE LAB? 

Das Future Lab versteht sich sowohl als Bühne als auch als Labor: Einerseits präsentieren wir, was bereits an neuen Technologien am Theater einsetzbar ist, andererseits experimentieren wir und zeigen Ausschnitte unserer Arbeit: egal ob, wir mitten dabei sind, ob es ein Erfolg oder Misserfolg wurde. Besonders wichtig ist uns dabei, dass das Publikum ‚live‘ dabei ist, mit dem ‚Neuen‘ konfrontiert wird, aber auch mitdiskutieren kann, um zu erfahren, was gefällt und was nicht. Dafür bieten wir zum Beispiel die Future Talks an, bei denen Künstler:innen und Expert:innen direkt im Austausch mit dem Publikum stehen.
 
Inwiefern ist das Projekt für die Zukunft des Theaters wichtig? 

Wir glauben, dass wir gerade an einem Punkt angekommen sind, an dem neue Technologien nicht nur mehr Medizin, Militär oder der Wirtschaft vorbehalten sind, sondern bereits in den Mainstream schwappen. Da ist manches noch in den Kinderschuhen, anderes ist bereits ausgereifter. Das Werkzeug ist jedenfalls schon da, die Kunst am Entstehen, und nun gilt es, Synergie zu schaffen. Als Figurentheater haben wir hier den klaren Vorteil, dass wir einerseits schon immer tote Materie zum Leben erwecken, und andererseits immer auch ein handwerkliches Arbeiten dabei ist.

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Szene aus der Produktion „BLADE RUNNER – Das Märchen Mensch“ des Schubert Theaters. Foto: Lisa Zingerle
 
Was macht FUTURE LAB besonders?

Die technologische Entwicklung ist nicht aufzuhalten, deswegen sind wir lieber gleich dabei anstatt später ausgetretene Wege zu gehen. Bei uns hat man also die Möglichkeit, diese Entwicklung selbst mitzuerleben. Wir empfehlen nicht, dass jeder Haushalt sofort eine VR-Brille braucht – aber bei uns kann mal hineingeschnuppert werden, was es Hausgemachtes heute schon alles gibt. Damit erweitern wir nicht nur unser Feld, sondern auch die Perspektiven unseres Publikums. Auch von unserem Ensemble haben einige zum ersten Mal im Schubert Theater eine VR-Brille ausprobiert. Wir wollen vermitteln und Barrieren oder Ängste abbauen, aber dabei auch ehrlich und experimentierfreudig bleiben.
 
Welche technischen Besonderheiten werden im FUTURE LAB fokussiert? 

Beim ersten Future Lab 2022 hatten wir frisch aus dem Lockdown mit einer Eigenproduktion in Mozilla Hubs, auf dem auch unser virtuelles Puppenmuseum läuft, und einem Gastspiel einer digitalen Theaterproduktion der fantastischen Gruppe punktlive einen Schwerpunkt auf Online-Theater gesetzt. Dieses Jahr hatten wir mit dem queerfeministischen Gastspiel „1/0/1-robots“ des Kollektivs manufaktor und unserer Produktion „BLADE RUNNER – Das Märchen Mensch“ beleuchtet, was im Theater bereits alles mit Robotern und Live-Puppenavataren auf einer Bühne geschehen kann.

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So kann beispielsweise ein KI-Konzert aussehen. Grafik: Simon Meusburger via Midjourney
 
Welche Ziele verfolgt das Projekt? 

Wir wollen unseren eigenen Horizont sowie den unseres Publikums erweitern, und testen, was es von der ganzen Zukunftsmusik tatsächlich schon spielt und was noch Arbeit benötigt. Uns geht es um einen Austausch, nicht nur zwischen den Künsten, sondern auch zwischen Künstler:innen und Publikum. Die digitale Welt hat rasant Einzug gehalten in unser Leben. Wir müssen auch darauf achten, dass neben Zoom-Meetings, E-Mails und Social Media auch was Schönes und Kreatives dabei rauskommt.
 
Was kann zukünftig noch vom Schubert Theater Wien in Sachen Digitalisierung erwartet werden? 

Wir möchten unser virtuelles Puppenmuseum stetig weiterwachsen lassen und wollen dort auch einige interaktive Features zum Entdecken integrieren. Auch sind wir gerade dabei, eine digitale Puppen-Station bei unserem Sommerprogramm „Spaziergang für die Figur“ einzubauen. Bei dem sehr beliebten Stationentheater wird es also ab diesem Jahr auch einen digitalen Stopp geben, bei dem das Publikum über Smartphone oder Tablet eine Puppe kennenlernen wird. Wir sind gespannt! 

 

Zur Person:

LISA ZINGERLE c Ilkhan Erdogan

Lisa Zingerle gelangt 2012 als Kostümbildnerin ans Schubert Theater Wien. Ab 2013 erweitert sie das Team in den Bereichen Direktion, kaufmännische Leitung, Kostüm und Ausstattung sowie Puppenbau. (Foto: Ilkhan Erdogan)

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