Schade, dass du Mutter wirst. Ich mochte deine Kunst immer“, bekam die Performance-Künstlerin Annika Schwarm zu hören, als sie schwanger war. Ein Job in der Kulturbranche und Mutterschaft? Lange Zeit war das sowohl für Personen auf als auch hinter der Bühne unvereinbar. Eine Pilotstudie aus 2021 ergab: Fast die Hälfte der Bühnenkünstlerinnen hat im Berufsleben diskriminierendes Verhalten aufgrund ihrer Mutterschaft erlebt. Ebenso viele gaben bei Bewerbungsgesprächen nicht an, dass sie Mutter sind. Jede vierte Studienteilnehmerin erzählt, dass ein Vertrag aufgrund von Mutterschaft nicht verlängert oder aufgelöst wurde. 40 Prozent der Frauen denken darüber nach, den Beruf aufzugeben, wenn sie Mütter werden.
Familienfreundliche Arbeitszeiten
Durchgeführt wurde die Studie von Bühnenmütter* e. V. – Frauke Leni Bugnar arbeitet im Kostümbereich und ist im Vorstand des Vereins. Sie erklärt: „Die Bühnenmütter fordern ein, was allen Müttern zusteht: Die Vereinbarkeit von künstlerischen Berufen auf und hinter der Bühne und der Managementtätigkeit in der Care-Arbeit im gesamten Kulturbereich.“ Dafür wurden bereits diverse Maßnahmen gesetzt. Nach der eingangs erwähnten Pilotstudie traf sich 2023 eine Arbeitsgruppe mit diversen Entscheidungsträgern aus Politik und Kultur – gefördert vom Berliner BMFSFJ. Das Ergebnis aus dem Think Tank ist ein Toolkit, das allen Interessierten kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Es enthält wichtige Ansätze wie die Organisation von längeren Arbeitsprozessen mit Unterbrechung – etwa in Probenphasen. Die Kernarbeitszeiten sollten dann möglichst mit den Kinderbetreuungszeiten öffentlicher Kindergärten und -tagesstätten abgeglichen werden. Weiters sollten z. B. keine wichtigen Termine zwischen 16 und 20:30 Uhr stattfinden, wenn Eltern im Team sind.
Reisen mit Kindern
Ein weiteres Problem ist die Mobilität. Viele Darstellende und Kulturschaffende reisen von Projekt zu Projekt. Mit Kind treten dann zusätzliche Fahrt-, Hotel- und Betreuungskosten auf. Häufig ist das Mitreisen einer weiteren Betreuungsperson notwendig. Es wird ein Budget-Topf gefordert, von dem diese Mehrkosten bezahlt werden können, sodass sie nicht aus den Projekt-Fördertöpfen geholt werden müssen und deshalb Mütter aufgrund des Budgets benachteiligt werden. Weiters geht der Appell an die Schulbehörden, dass Schulpflicht und Dienstreisen gerade für Mütter und Alleinerziehende realisierbar werden müssen. Diese und viele weitere Fragen wurden während des Think Tanks diskutiert und in konkrete Forderungen an Politik und Kultureinrichtungen gegossen. Der Verein plant zusätzlich ein Familiensiegel, das an kulturelle Institutionen verliehen werden soll, die familienfreundliche Arbeitsbedingungen schaffen und als Vorbild dienen können.
Workshops für Vereinbarkeitsfragen
Rund 94 % der Befragten der Pilotstudie wurden während ihrer Ausbildung nicht auf Fragen der Vereinbarkeit vorbereitet. Ziel des Vereins ist es, das nun zu ändern. Der Verein bietet deswegen die sogenannten „Next Generation“-Workshops an, deren nachhaltige Idee lautet: Wenn Bühnenkünstler:innen und Theaterleitungen ihre Rechte kennen und eine Familienvereinbarkeit mitdenken und gestalten, besteht die Möglichkeit einer langfristigen Veränderung zu familienfreundlicheren Strukturen an den Theatern. Haben Mitglieder des Vereins bereits berufliche Probleme wegen einer Schwanger- oder Mutterschaft, bietet eine Rechtsanwältin eine kostenlos rechtliche Erstberatung an.
Für alle Interessierten:
Mitgliedschaft
Eine aktive Mitgliederschaft beim Verein Bühnenmütter kostet 50 Euro im Jahr und bietet die Möglichkeit, als bühnenschaffende Frau mit Vereinbarkeitsproblemen am Mentoringprogramm teilzunehmen. Das Programm geht im Herbst in die dritte Runde, auf der Webseite finden sich dazu alle relevanten Informationen zu Anmeldung und Teilnahme.
Stammtisch
Wer an einem Stammtisch teilnehmen möchte, schreibt eine unverbindliche E-Mail an christina.sidak@buehnenmuetter.com
Workshops
Die „Next Generation Workshops“ können von externen Theatern, Universitäten, Akademien und anderen Bildungseinrichtungen unter next.generation@buehnenmuetter.com gebucht werden.
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