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Auf der ganzen Welt machen sich Theatermacher:innen Gedanken um eine nachhaltige Zukunft der Branche. Die Architektur-Ausstellung in der Berliner Akademie der bildenden Künste gab nachhaltige Denkanstöße.

Im Idealfall ist das Theater der Gesellschaft einen Schritt voraus. Immer öfter ist bei Inszenierungen daher vor allem eines wichtig: Nachhaltigkeit. Von wiederverwendbaren Kostümen, CO2-armen Veranstaltungsstätten bis zur Nutzung von Abwärme für die Technik – die Theater- und Veranstaltungsbranche probiert zurzeit vieles aus. Doch ideale Lösungen hat die Branche noch nicht gefunden, um den größten gesellschaftspolitischen Trend unserer Zeit mitzugestalten. Darum bieten andere Disziplinen eine wichtige Inspirationsquelle. Etwa die gerade zu Ende gegangene Ausstellung „The Great Repair“ in der Berliner Akademie der bildenden Künste (AdK).

Geteilter Materialfundus als Best Practice

„The Great Repair“ ist ein Plädoyer für einen bewussteren Umgang mit Materialien und Ressourcen aus der Perspektive der Architektur – und bietet für die Kunst und Kultur viele Denkanstöße. „Wir denken, dass eine verstärkte Zusammenarbeit über die Grenzen einzelner Abteilungen und Zuständigkeitsbereiche innerhalb einer Institution und darüber hinausgehend sinnvoll ist. Für das Theater kann das etwa bedeuten, dass man einen geteilten Materialfundus schafft – auch für andere Institutionen“, sagt Markus Krieger vom Magazin ARCH+. Zusammen mit Florian Hertweck von der Universität Luxemburg und Milica Topalovic von der ETH Zürich hat ARCH+ die Ausstellung „The Great Repair“ entwickelt und in Kooperation mit der AdK realisiert. Wie es gehen kann, zeigt das Berliner Haus der Materialisierung. Im Zentrum für klimaschonende Ressourcennutzung lagern Materialien aus den unterschiedlichsten Bereichen – von Textilien bis Holz. Das Ziel dahinter: Re-Use zum Standard machen. „Eine solche Praxis setzt aber eine entsprechende Infrastruktur voraus, etwa Platz zum Lagern und übersichtliche Datenbanken“, sagt Felix Hofmann von ARCH+.

Von der Selbstkritik zur Lösung

Doch wie kann Theater in einer Reparaturgesellschaft aussehen? Welche Schritte sind für ein innovatives Theater der Zukunft notwendig? „Dass ‚Reparatur‘ im Titel der Ausstellung steckt, ist eine Kritik an unserer Disziplin, der Architektur. Der erste Schritt in Richtung einer Reparaturgesellschaft ist immer, Disziplingrenzen und die zugewiesenen Handlungsspielräume in Frage zu stellen – auch in anderen Bereichen“, sagt Markus Krieger. Laut den Ausstellern von „The Great Repair“ lautet also auch für die Theater- und Kunstbetriebe das oberste Credo: Selbstreflexion. „Es geht vor allem darum, die Institutionen selbst zu hinterfragen und die Strukturen, in die diese eingebunden sind“, sagt Felix Hofmann.

Nehmen, was da ist

Ein leitendes Prinzip von „The Great Repair“ war Suffizienz – mit dem zu arbeiten, was da ist. „Beispielsweise hat das Ausstellungsteam die Bestandsvitrinen der AdK neben ihrer üblichen Anwendung mit Glasdeckel mithilfe von Holzböcken auch zu Tischen oder Sockeln umfunktioniert“, erklärt Markus Krieger. Maßgeschneiderte Anpassungen haben die Aussteller mit sogenannten „Prothesen” oder ergänzenden Stützkonstruktionen vorgenommen – immer punktuell da, wo das zur Verfügung stehende Material nicht ausreichte. Ein zweiter Leitsatz lautete „Mit dem Bestand arbeiten“. „Es war uns ein Anliegen, den Ausstellungsort als aktiven Teil der Ausstellung mitzudenken. Der Eingang führte daher durch den sonst nicht öffentlichen Wirtschaftsgang. So konnten die Besucher:innen die täglich geleistete Reinigungs- und Reparaturarbeit sehen“, sagt Felix Hofmann. Auch der sonst öffentlich nicht einsehbare Hof der AdK diente als Ausstellungsraum: Das Atelier Bow-Wow gestaltete hier den „Solar Garden“. Das gesamte Holz für die Konstruktion und auch die „Prothesen“ hat das Team dabei von einer vorangehenden Ausstellung bezogen. Eine längerfristige Nachnutzung des „Solar Gardens“ ist bereits in Planung. Es ist vor allem ein Leitmotiv, mit dem „The Great Repair“ auch für andere Disziplinen ein Vorbild darstellt: Wer nachhaltig sein möchte, muss mutig sein. Und erfinderisch. Zwei Tugenden, die dem Theater ohnehin immer gut zu Gesicht stehen. 

The Great Repair Installation DvB 26

Die Vitrinen können klassisch oder als Tisch verwendet werden. Möglich macht es die Verwendung von neu gestalteten „Prothesen“ und „as found“ Böcken aus dem AdK Bestand. Foto: David von Becker

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