Als erster und einziger Theaterkonzern im deutschsprachigen Raum sind die Bühnen Graz in ihrer Gesamtheit mit nachhaltigen Gütesiegeln zertifiziert – was hat diesen Erfolg möglich gemacht?
Bernhard Rinner: Ganz klar: Die Mitarbeiter:innen. Weil sie Bereitschaft zeigen, den schwierigen Change Prozess mitzugehen, der mit den Umweltsiegeln einhergeht. Unsere Hauptaufgabe ist es ja immer noch, jeden Abend den Lappen hochzubekommen und für das Publikum Theater zu machen. Es erfordert sehr viel Zeit und Engagement neben dieser Grundaufgabe der Vorbildwirkung als nachhaltige Betriebe nachzukommen. Das klappt nur, wenn alle an einem Strang ziehen, und darauf sind wir stolz.
Auf welche Änderungen mussten sich die Mitarbeiter:innen denn einstellen?
Christian Scheibelsteiner: Vor allem die Arbeitsprozesse sind neu. Wir verwenden im Schauspielhaus Graz jetzt zum Beispiel andere Stoffe für die Kostüme oder andere Reinigungsmittel. Für die Schauspieler:innen war es eine große Umstellung, dass die Duschen nun mit Sensor ausgestattet sind und man diesen nach 30 Sekunden wieder aktivieren muss, um weiterduschen zu können. Durch den Wechsel in der Intendanz hat sich das inzwischen ein bisschen relativiert, weil die neuen Schauspieler:innen es gar nicht mehr anders kennen. (lacht)
Was bedeutet eigentlich „Auszeichnung in der Gesamtheit“?
Rinner: Bei den Bühnen Graz sprechen wir von einer Holding-Struktur und von einzelnen Teilgesellschaften. Dies umfasst rund 700 Mitarbeiter:innen und 1200 Gastverträge. Jede einzelne Gesellschaft wurde geprüft. Mit Erfolg. Das war vor allem schwierig zu erreichen, weil es je nach Gesellschaftsstruktur unterschiedliche Umweltzeichen gibt. Die Anforderungskriterien waren also auch unterschiedlich.
Können Sie den zusätzlichen Aufwand durch die Nachhaltigkeitsziele beziffern?
Rinner: Wir benötigen eine Person in Vollzeit-Anstellung mehr in den Unternehmen. Daneben bedeutet es natürlich eine Kostensteigerung. Wir investieren gerade etwa in eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach der Werkstätten. Es ist und bleibt ein aufwendiger, aber wie ich meine lohnender Prozess. Wir wollen vor allem ein Signal an die Branche geben: ‚Macht es uns nach, wir glauben, dass das der richtige Weg ist.‘
Gehen wir ins Detail: Welche technischen Maßnahmen haben Sie in den Häusern denn gesetzt, um die Umweltstandards zu erfüllen?
Scheibelsteiner: Im Schauspielhaus haben wir die komplette Beleuchtung ausgetauscht. Das betrifft die Allgemeinbeleuchtung und die Bühnenbeleuchtung und es ist natürlich ein laufender Prozess. Im Bühnenbereich gibt es auch immer neuere Technologien, was etwa die ganzen DMX-Steuerungen angeht. Das ist ein ständiger Lernprozess für die Beleuchter:innen. Daneben ist die Lüftungssteuerung ein großes Thema. Nach einer Sanierung lässt sich die Lüftung bei uns im Haus jetzt neu steuern. Auch die Heizungsanlage wurde saniert. Früher gab es eine große Pumpe und jetzt lassen sich die Heizkreise einzeln steuern. Ein dritter großer Punkt sind permanente Energiesparmaßnahmen wie konsequentes Lichtausschalten oder intelligente Armaturen fürs Wasser. Dazu kommen noch Müllstationen und eine kleine Müllstrategie – wenn eine Müllstation in der Umgebung ist, bieten wir in den Büros nur noch Papiermüllkübel an.
Gibt es auch Maßnahmen, die nicht nur Pflicht sind, sondern von denen die Mitarbeiter:innen persönlich profitieren?
Scheibelsteiner: Ein weiteres Projekt des Grazer Schauspielhauses ist das Grüne Theater. Im Rahmen dessen bieten wir Elektroräder fürs Team an. In die Begrünung der Terrasse wurden die Mitarbeiter:innen auch sehr einbezogen. Insgesamt sind Fragen des Klimas auch Fragen des Arbeitsklimas. Dafür gibt es bei uns eine eigene Arbeitsgruppe und dort werden Nachhaltigkeitswünsche vom Team ausgearbeitet – etwa eine Fahrradaufpumpstation oder eine Fahrradservicestation.
Wo sind für die Bühnen Graz bei der Nachhaltigkeit rote Linien? Welche Maßnahmen gehen für Sie zu weit, weil sie die Kunst einschränken?
Rinner: Das ist ein wichtiger Punkt. Am Ende des Tages sind wir ein Haus für die Kunst und nicht für nachhaltige Stoffe. Ich bin auch Generalsekretär des Bühnenvereins österreichischer Bundesländer und Städte und dort hatten wir kürzlich die Diskussion, ob wir nicht ein digitales Bühnenbild und Kostümbild für alle Häuser österreichweit schaffen, damit die Bühnenbildner:innen und die Regisseur:innen nur noch darauf zugreifen, was wir im Depot haben. Das geht mir zu weit, weil es die Kreativität einschränkt. In der Balance zwischen Theaterfeuerwerk und Askese liegt die Wahrheit.
Zum Abschluss: Welche Ziele und Visionen haben die Bühnen Graz beim Thema Nachhaltigkeit für die Zukunft?
Rinner: Wir werden die Maßnahmen in unseren Häusern konsequent weiterführen und immer wieder updaten. Es ist die Summe kleiner Dinge, die den Erfolg ausmacht. Eine Utopie von mir ist eine Zusammenarbeit im gesamten deutschsprachigen Raum. Nationenübergreifende Maßnahmen hätten natürlich einen noch viel stärkeren Hebel – aber dafür braucht es viel Kommunikation und Engagement. Ein Traum wäre es, wenn wir eines Tages mit erneuerbaren Technologien unseren eigenen Strom erzeugen könnten. Aber das ist Zukunftsmusik.
-ae