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Selbst in der Welt der Oper, wo die Grenzen zwischen Kunst und Technik oft verschwimmen, gibt es Momente, in denen auch die Wissenschaft eine wichtige Rolle spielt. Etwa da, als die Wiener Staatsoper die Premiere von Claudio Monteverdis "Il ritorno d’Ulisse in patria" am 2. April 2023 feierte. Das Besondere an dieser Aufführung war jedoch nicht nur die Produktion selbst, sondern auch die Herausforderung im Bereich der Lichttechnik.
Text: Prof. Dr. Tadeusz Krzeszowiak (Vorstandsmitglied der ÖThG Wien)

Mit der Oper „Il ritorno d’Ulisse in patria“, die am 2. April 2023 Premiere feierte, vollendet die Wiener Staatsoper ihren in den vergangenen beiden Spielzeiten mit „L’incoronazione di Poppea“ und „La favola di Orfeo“ eröffneten Claudio Monteverdi-Zyklus. Die Produktion war der letzte Teil einer Trilogie, die von drei verschiedenen Regieteams, musikalisch aber zusammengehalten vom Concentus Musicus Wien unter dem Dirigenten Pablo Heras-Casado aufgeführt wurde.

Bei dieser Produktion sah man sich vor eine lichttechnische Herausforderung gestellt: In der sogenannten Webstuhl-Szene sitzt die in der Rolle der Penelope agierende Sängerin für rund 20 Minuten an einem ebensolchen, die Rolle der Eridea rund 10. Der Webstuhl wird in dieser gesamten Zeit von dem horizontalen Lichtkegel eines Projektors Acer P5535 (mit einer Höchstdruck-Quecksilberdampf-Bogenlampe UHP 240 Watt und einem Lichtstrom von 4.500 Lumen) von vorne und aus einer Entfernung von ca. 70 cm angestrahlt. Die dichten Fäden des Webstuhls sollten als eine Projektionsleinwand dienen und war der Drehpunkt des gesamten Bühnenbildes der Oper.    

Diese direkte Lichteinstrahlung durfte die empfohlenen Grenzwerte der photometrischen Größen auf der Hornhaut des Auges nicht überschreiten. Deswegen wurden während der technischen und szenischen Proben auf der Probebühne im Arsenal Lichtmessungen mit Luxmeter, Bestrahlungsstärkemesser und Spektrometer durchgeführt, um die folgenden Größen zu messen: die vertikale Beleuchtungsstärke in lx, die Farbtemperatur der Strahlung der Lichtquelle des Projektors in Kelvin sowie die spektrale Energieverteilung der Strahlung des Projektors im sichtbaren Bereich von 380 nm bis 780 nm in mW/(m2∙nm) – letztere Messung gab auch Aufschluss über den relativen Anteil des Blaulichts der Projektorstrahlung im Vergleich zum gesamten Spektrum.

Die Messungen wurden in drei vertikalen Ebenen durchgeführt: vor dem Webgitter, hinter dem Webgitter und vor dem Auge – ohne und mit einer der drei speziell angefertigten Sonnenbrillen.

Die Ergebnisse der Messung 1 ohne Brille:

  • mittlere Beleuchtungsstärke vor dem Webgitter:300 lx
  • mittlere Beleuchtungsstärke hinter dem Webgitter: 890 lx
  • mittlere Beleuchtungsstärke auf dem Auge: 700 lx
  • mittlere Farbtemperatur der Strahlung des Projektors:500 K
  • Peak der blauen Strahlung bei rund 450 nm beträgt 10 mW/(m2∙nm)
  • der relative Anteil des Blaulichts im Vergleich zum gesamten Spektrum übersteigt wesentlich den Mittelwert.

Weil die erste Brille die Grenzwerte1) der lichttechnischen Größen überschritt, war sie nicht geeignet und die weiteren Messungen wurden mit Brille 2 und Brille 3 weitergeführt.

Die Ergebnisse der Messung 2 mit Brille 2:

  • mittlere Beleuchtungsstärke vor dem Webgitter:300 lx
  • mittlere Beleuchtungsstärke hinter dem Webgitter: 890 lx
  • mittlere Beleuchtungsstärke auf der Brille: 700 lx
  • mittlere Beleuchtungsstärke auf dem Auge: 70 lx
  • mittlere Farbtemperatur der Strahlung hinter der Brille:000 K (Tageslicht)
  • Peak der blauen Strahlung bei rund 450 nm beträgt 0,9 mW/(m2∙nm)
  • die Berechnung der optischen Durchlässigkeit der „Brille 2“ ergab 75lx/700lx, das sind rund 11 % des Verhältnisses der Beleuchtungsstärke hinter der Brille zu vor der Brille
  • der relative Anteil des Blaulichts im Vergleich zum gesamten Spektrum wurde ausreichend reduziert.

Diagramm1 Lichtmessung Staatsoper

 

Die Ergebnisse der Messung 3 mit Brille 3:

  • mittlere Beleuchtungsstärke vor dem Webgitter:300 lx
  • mittlere Beleuchtungsstärke hinter dem Webgitter: 890 lx
  • mittlere Beleuchtungsstärke auf der Brille: 700 lx
  • mittlere Beleuchtungsstärke auf dem Auge: 40 lx
  • mittlere Farbtemperatur der Strahlung hinter der Brille:800 K (Warmton)
  • die Berechnung der optischen Durchlässigkeit der „Brille 3“ ergab 45lx/700lx, das sind rund 6 % des Verhältnisses der Beleuchtungsstärke hinter der Brille zu vor der Brille
  • der relative Anteil des Blaulichts im Vergleich zum gesamten Spektrum wurde mit einem Wert von 0,03 mW/(m2∙nm) beinahe vollständig reduziert. Das ergibt den nächsten Peak bei einer Wellenlänge von rund 490 nm (Türkis-Farbe) mit dem Wert 0,17 mW/(m2∙nm).

Diagramm2 Lichtmessung Staatsoper

Gemäß den fotometrischen und energetischen Lichtmessungen bei dieser Webstuhl-Szene und in Hinblick auf die Dauer des Agierens der beiden Sängerinnen, die während der Szene die Brille aufsetzen und tragen, liegen die Ergebnisse der gemessenen Parameter unter den empfohlenen Grenzwerten 1). Die UV- wie auch IR- Anteil der Strahlung wurde durch die Messung nicht nachgewiesen, der relative Blauanteil der Strahlung bleib unbedenklich 2).

Mit dieser Information wurde die „Brille 3“ der Sängerin der Rolle der Penelope und die „Brille 2“ der Rolle der Eridea zugeordnet. Zuletzt wurde die Kostümbildnerin beauftragt, die Sonnenbrillen entsprechend der Produktion zu gestalten.


Literaturnachweis:

1) Krzeszowiak, T.: „Licht und Hormone – Physiologische Aspekte des Bühnenlichtes“, S. 546-552, 10. Europäischer Lichtkongress, Lux Europa 2005, Berlin
2) Krzeszowiak, T.: „Bühnenlicht am Theater – Photobiologische Sicherheit der optischen Strahlung“,  S. 299-316, Jahrbuch der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2018

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