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Eine Veranstaltungsreihe macht ihrem Namen keine Ehre – und freut sich drüber. 

Liao Yiwu,
Liao Yiwu, Dichter, Dissident und Ehrengast im Waldviertel. Foto: Herbert Starmühler

Zum 14. mal trafen sich im Waldviertel Literaturfreunde und wurden – wieder einmal – enttäuscht. Denn der Namensgeber, der Nebel, er kam nicht. „Literatur im Nebel“ heißt die Reihe, die jedes Jahr (mit Ausnahme von Corona-2020) in Heidenreichstein, schon ganz im Nordwesten des Waldviertels, Celebritäten der Szene in der Margithalle versammelt. Der ehemalige Kulturminister Österreichs, Rudolf Scholten, ist einer der Initiatoren, selbst auch in der Nähe angesiedelt. Es müsse doch möglich sein, in der etwas abgelegenen Provinz, Schriftsteller:innen eine Bühne zu geben, einen Ort für kontemplatives Besinnen auf Entstehung und Ergebnis von Literatur zu bieten, hatte er sich vor vielen Jahren gefragt.

Und siehe da, es klappte. Die vortragenden Gäste vergangener Jahre waren zum Beispiel Salman Rushdie, H.M.Enzensberger, Christoph Hein, Louis Begley oder die Nobelpreisträger:innen J.M. Coetzee und Herta Müller.

China will diese Texte nicht
Dieses Jahr war der Ehrengast, um den sich alles drehte, ein Dichter im Exil. Liao Yiwu entfloh seinem Heimatland, nach Verhaftungen, Gefängnisaufenthalten, Folterungen, Verleumdungen und Berufsverboten. China wollte und will seine Texte nicht. Kein Wunder. Liao Yiwu schreibt Gedichte (zum Beispiel über das Massaker am Tian'anmen-Platz), die man in der Zentrale der Macht nicht hören will. Sein Klassiker „Für ein Lied und hundert Lieder“ beschreibt die Welt im chinesischen Gefängnis – und Liao Yiwu schafft darin mit enormer, entsetzlicher Ausdruckskraft doch eine poetische Aura in einer hoffnungslosen Welt.

Herta Müller Foto Starmühler

Herta Müller kam nach Heidenreichstein und erwies ihrem Dichterkollegen Liao Yiwu die Ehre. Foto: Herbert Starmühler

Literaturnobelpreisträgerin als Kommentatorin
Nach Heidenreichstein war auch Herta Müller gekommen, die das Werk des Liao Yiwu kommentierte und interpretierte. Die Parallelen der beiden sind unübersehbar. Beide schrieben in ihrer Heimat nicht der Literaturpreise willen oder den Leser vor Augen, sondern vielmehr um eine triste Zeit zu bewältigen, die Existenz mit Sinn zu füllen. Der literarische Erfolg kam erst nachher. Beide sind Dissidenten, Geflohene, beide leben in Berlin, beide befleißigen sich eines jeweils sehr eigenständigen Stils und beide bekamen Litaraturpreise verliehen. Yiwu den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und den Geschwister-Scholl-Preis, Herta Müller sogar den Literaturnobelpreis.

Berührend die temparamentvollen Rückblicke und Ausblicke des Ehrengastes, dessen neuestes Buch „Wuhan“ als „Dokumentarroman“ gestaltet ist.

Website Literatur im Nebel.

(hst) 

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