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Im neuen Stück am Staatstheater Braunschweig begeistert der Bühnenbildner Thilo Ullrich mit einem raumgreifenden Bühnenbild. Das Herzstück: aufblasbare Riesenhände.

Es dreht sich alles um Sinne. Für ein Theaterstück erstmal nicht aufregend. Doch in „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“ ist die Wahrnehmung des Protagonisten die Hauptstory. Das ist dann wiederum zumindest ungewöhnlich. Noch dazu legen die Regisseurin Mirjam Loibl und der Bühnenbildner Thilo Ullrich beim Bühnenbild den Schwerpunkt auf die sinnliche Erfahrung der Romanfigur, die dem Autismus-Spektrum zugeordnet ist. Und das machen die beiden ziemlich geschickt. 

„Wir fanden das Erfahren von Theater als Hauptthema besonders spannend und deshalb habe ich in meinen Entwurf Sinnesorgane als gestalterischen Moment eingebaut. Es ist eine Art Collage entstanden, die am Anfang noch ganz anders aussah und sich im Prozess mit dem Regie-Team und später auch anhand der Umsetzbarkeit im Theater entwickelt hat“, erzählt Thilo Ullrich. Der freischaffende Bühnen- und Kostümbilder zeichnet sich durch sehr avantgardistische Szenenbilder aus und stellt dies im neuen Stück erneut unter Beweis. Die besondere Aufgabe diesmal: ein Rundhorizont mit aufblasbaren Riesenhänden.

Rundhorizont als zentrales Element

„Da ich nach der Bauprobe einige größere Änderungen gemacht habe, müssen wir vor Ort auf der Bühne nochmal ein Detail angucken, wir arbeiten dafür gerade an einem Testaufbau mit einer gebogenen Vorhangstange. Sie soll den Rundhorizont mit einem 7,50 Meter kreisrunden Ausschnitt im Stoff in der Mitte ermöglichen“, sagt Thilo Ullrich. „Man muss sich das wie eine Labor-Box vorstellen, in die man durch fest montierte Handschuhe greift. Nur bei uns greift niemand in die übergroßen Handschuhe, sondern Luft bläst diese auf und gibt ihnen das Volumen. Wir probieren und spielen dabei mit dem Volumen: Mal hängen die Hände schlaff in den Bühnenraum, mal beeinflussen sie prall aufgeblasen die Darsteller:innen. Daneben ist die Findung der Windmaschine die besondere Herausforderung. Das erfordert viel Tüftelei. Die Werkstätten haben extra ein Muster genäht, mit dem das Team anhand einer aufblasbaren Form bei der Bauprobe alle möglichen technischen Ausrichtungen getestet hat: Wie lange dauert das Aufblasen? Bleibt Luft im Stoff? Wie schnell entweicht die Luft? Wie laut ist die Windmaschine?“ Auf all diese Fragen galt es Antworten zu finden. „Wir testen auch noch alle Modelle für die Lufterzeugung: vom Haushaltsventilator bis zur professionellen Windmaschine. Zur Überraschung aller brauchen die Hände nicht viel Luftdruck“, erzählt Thilo Ullrich. 

Planung in vollen Zügen 

Doch auch mit anderen Details im Bühnenbild beweist „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“, wie auf kleineren Bühnen mit viel Einfallsreichtum große Kunst produziert werden kann. 

Thilo Ullrich hat in seinem Entwurf viele Teile vorgesehen, die in Seilen fliegend eingerichtet werden. Das Kleine Haus des Staatstheaters Braunschweig verfügt zwar über Züge, allerdings nur über Handkonterzüge, die einzeln händisch zu bedienen sind. „Das macht den Aufbau sehr komplex, weil wir alles ganz genau in der jeweiligen Reihenfolge durchdenken müssen“, sagt Thilo Ullrich. Denn man kann hier nicht einfach auf Knopfdruck vier verschiedene Züge synchron langsam auffahren und zugleich genug Techniker:innen auf der Bühne haben, die aufpassen, dass die Teile nirgendwo anstoßen. Doch mit genauer Planung und Vorbereitung gleicht die technische Produktionsleitung die fehlende Personengröße in der technischen Mannschaft aus. 

Anfang März kam das Bühnenbild zur technischen Einrichtung aus den Werkstätten auf die Bühne. Ab dann wird es ernst, am 23. März feiert das Stück dann als Zusammenarbeit des Schauspiels vom Staatstheater Braunschweig und der Sparte „JUNGES Staatstheater“ Premiere. Womöglich bleibt in den Tagen davor kein Stein auf dem anderen. „Der Wechsel auf die Bühne in das Original-Bühnenbild kann immer auch ein guter Kick für die Energie der Produktion sein. Aber der Grat ist schmal, weil der Stress ab dem Zeitpunkt für uns als Team stark zunimmt. Wir bringen das gefundene szenische Material von der Probebühne in das Original und erfinden dabei auch ganz vieles komplett neu“, sagt Thilo Ullrich. Das Regieteam leistet dann oft 12-Stunden-Tage. So ist es neben der Kreativität vor allem auch der große Einsatz, mit dem das Produktionsteam die geringeren Mittel in den kleinen Häusern ausgleicht 

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Die überdimensionalen Hände sind in der Planung eine Herausforderung. Ein Rundhorizont macht sie möglich. Foto: Thilo Ullrich

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