Die Oper „Justice“, inszeniert von Milo Rau, entfaltet sich als kraftvolles Kunstwerk, das die Zuschauer:innen auf eine emotionale Reise durch die Abgründe menschlichen Leidens und die Suche nach Gerechtigkeit mitnimmt. Inmitten einer eindringlichen Choreografie von Licht und Schatten, Klang und Stille erhebt sich das Bühnenbild als ein lebendiges Zeugnis der Tragödie, die das Herzstück dieser Oper bildet.
Lastwagenhavarie als Kulisse
Das imposante Bühnenbild von „Justice“ bildet den Schauplatz eines verheerenden Unfalls in der Demokratischen Republik Kongo ab, als ein Tankwagen beladen mit Schwefelsäure mit einem Bus kollidiert und eine Kette von Ereignissen in Gang setzt, die das Leben von mehr als zwanzig Menschen auslöscht und zahlreiche andere für immer verändert. Vor den Augen des Publikums liegt der umgestürzte Lastwagen wie ein monströses Symbol der Zerstörung, während leblose Körper darunter liegen, stumme Zeugen eines Schicksals, das von Gier, Korruption und Ungerechtigkeit gezeichnet ist.
„Die Bühne des Festspielhaus ist kleiner als die des Genfer Theaters, was anfangs als Problem erschien“, erzählt Andreas Dröscher, technischer Leiter des Festspielhaus St. Pölten. „Dementsprechend mussten wir vor Ort die einzelnen Teile des Lastwagens vermessen. Sie wurden schon in Genf auf unsere Maße angepasst, sodass wir anschließend in St. Pölten keine Probleme beim Aufbau hatten.“
Kamerafahrten und Luftbildaufnahmen
Das Bühnenbild von „Justice“ ist nicht nur eine statische Kulisse, sondern ein lebendiges Element, das die gesamte Inszenierung durchdringt. Durch geschickte Live-Kamerfahrten wird das Publikum immer wieder in das Geschehen hineingezogen, wobei die Grenzen zwischen dokumentarischen Aufnahmen und Live-Auftritten von der Bühne verschwimmen.
Zum ersten Mal wurde im Festspielhaus eine Drohne innerhalb einer Produktion verwendet, was auf technischer Seite keine Herausforderung war, aber auf organisatorischer Seite neue Recherchearbeit mit sich brachte. Andreas Dröscher erklärt: „Bei einer Drohne verhält es sich wie mit einem Auto: Sie hat einen eindeutigen Besitzer und eine Nummer – quasi ihr Kennzeichen. Der Besitzer – in dem Fall das Theater Genf – kümmerte sich um die Versicherung.“ Zur Veranstaltungsgenehmigung sagt er: „Es handelt sich bei der Oper um ein Gastspiel. Wie bei tourenden Musikacts gab es schon eine Genehmigung einer anderen Behörde, dadurch konnte die Veranstaltungsgenehmigung auch hier schnell erteilt werden.“
Bühne für die Menschlichkeit
Die Oper ist ein kraftvolles Symbol für die universelle Suche nach Gerechtigkeit und Erlösung. Das Libretto, verfasst vom kongolesisch-österreichischen Schriftsteller Fiston Mwanza Mujila, stellt sowohl historische als auch zeitgenössische Verbindungen zu Europa her und fragt nach den Auswirkungen des industriellen Fortschritts auf Mensch und Natur. Die Musik von Hèctor Parra, bekannt für seine intensive musikalische Interpretation von literarischen Werken, fügt dieser Darstellung eine weitere dimensionale Schicht hinzu.
„Justice“ ist mehr als nur eine Oper – sie ist eine musikalische Suche nach Gerechtigkeit. Es erinnert uns daran, dass hinter jeder Tragödie eine Geschichte steht, die gehört werden muss. In diesem Sinne ist das Bühnenbild von „Justice“ nicht nur ein Schauplatz für eine Oper, sondern eine Bühne für die Menschlichkeit.
-cs