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Ab 7. Dezember entsteht mit "Die Inkommensurablen" im Volkstheater ein Trickfilm in Echtzeit vor den Augen der Zuseher:innen. Regisseur Nils Voges erklärt, wie es technisch möglich ist, eine Graphic Novel auf der Bühne zu erschaffen.

Es ist die Nacht vor dem Beginn des ersten Weltkriegs, über die Raphaela Edelbauer in ihrem Roman „Die Inkommensurablen“ erzählt. Hans hat erstmals seine Tiroler Heimat verlassen, um ein neues Leben in Wien zu beginnen und lernt schon in der ersten Nacht neue Freunde kennen. Mit ihnen erkundet er die verschiedenen Szenen der Hauptstadt: den Wiener Adel, die Avantgarde, das Armenviertel, die queere Szene Wiens und den Drogen-Underground. Genau diese Geschichte, die einmal durch ganz Wien führt, kann man ab 7. Dezember im Volkstheater bestaunen. Dort wird sie nicht nur auf die Bühne, sondern auch auf die Leinwand gebracht. Drehbuchautor und Regisseur Nils Voges ist Teil des Künstlerkollektivs sputnic und spielt für die Inszenierung mit einer Technik, die es in Österreich so noch kaum gegeben hat: Live Animation. Die Geschichte von Hans wird dabei in bewegten Bildern erzählt, die auf die Bühne projiziert werden, ähnlich wie bei einem Trickfilm. Nur in diesem Fall entsteht dieser in dem Moment, in dem ihn Zuseher:innen sehen. Und es ist viel mehr als nur eine Filmvorführung. Die Darsteller:innen auf der Bühne sind dabei nicht nur Schauspieler:innen, sondern auch Spielmeister:innen, Figuren im Stück und Techniker:innen.

Neue Welten

Für Nils Voges und seine Kolleg:innen von sputnic ist es die zehnte Produktion dieser Art – und die erste in Österreich. Seit 20 Jahren arbeitet das Team zusammen und kommt eigentlich aus dem Bewegtbild. Selbst Regisseur Nils Voges arbeitet noch immer ab und an als Videokünstler in internationalen Theaterstücken. Er kennt die Arbeit am Theater aus einem ganz anderen Blickwinkel, der ihm nun zugutekommt. Die Technik sowie  das Know-how brachte er für diese Produktion von Deutschland mit ans Volkstheater. Die Stärke der Live-Animation ist, Dinge auf einfache Weise in Bildern zu erzählen, auf die man im Theater sonst häufig verzichten müsste. In der Vergangenheit wurde oft mit fantastischen Geschichten oder Science-Fiction gearbeitet. In der Spielstätte gab es schon länger den Wunsch nach einer Zusammenarbeit, doch das richtige Material musste zuerst gefunden wurden. Das ergab sich schließlich mit „Die Inkommensurablen“. Der Regisseur gibt Einblick: „Wir bewegen uns in dem Roman in vielen unterschiedlichen Stationen. Jede löst andere Gefühle aus, gibt andere Einblicke. Durch die Bilder können wir ganz nah dran sein, ohne Details verlieren zu müssen. Diese Arbeit bedarf viel Liebe zum Detail.“ Im Volkstheater wurde für das Stück technisch aufgerüstet. Es wurden vier moderne Overhead-Projektoren nach Anleitung des Künstlerkollektivs gebaut, auf denen die Projektionen inszeniert werden. Diese LED-Projektoren wurden von sputnic speziell entwickelt, um Live-Animation in Theatern zu ermöglichen. Während des Stücks arbeitet jede:r Schauspieler:in mit einem Projektor und kann diesen durch einen Buzzer auf die Leinwand projizieren und so zwischen den Projektoren hin und her schalten. Dadurch entsteht ein Live-Filmschnitt auf der Bühne, der genauso wie die Arbeit mit den Motiven choreographiert und geübt gehört. Zusätzlich müssen die Schauspieler:innen noch spielen, sprechen, Platten wechseln. Nils Voges: „Unsere Darsteller:innen sind ganz großartig und wir sind es inzwischen gewohnt, dass in den ersten zwei Wochen große Überforderung herrscht. Dann kommt aber jedes Mal der Punkt, wo sich der Knoten löst und alles wie eine gut geölte Maschine funktioniert.“

Plexiglas und Künstliche Intelligenz

Die Projektionen auf der Bühne werden mit über 300 verschiedenen Platten erzeugt, die teils bewegliche Teile haben. Die Figuren wurden von Karl Uhlenbrock illustriert und von Michael Dölle und dem Team zu animierbaren Platten zusammengebaut. Die Hintergründe kommen neuerdings aus der Maschine: Das Team macht sich den technischen Fortschritt zu Nutze und lässt diese von dem KI-Programm Midjourney erstellen. Für Nils Voges ist es die zweite Produktion, für die er mit Künstlicher Intelligenz arbeitet: „Es ist beeindruckend, was die KI inzwischen kann. Die Erstellung geht viel schneller und die Programme beherrschen viele verschiedene Stile. Das könnte ein Illustrator in der Zeit niemals leisten, stattdessen kann sich dieser auf die Figuren konzentrieren.“ In Simmering wurde für die 8-wöchige Probenphase eine kleine Werkstatt eingerichtet, in der die Illustrationen und dazugehörigen Plexiglasplatten für die Projektionen gebaut werden. Die Bühne von Michael Wolke besteht aus großen Lamellenvorhängen, die in verschiedene Positionen gestellt werden können, wodurch immer wieder neue Leinwände und Räume entstehen, auf die die Projektionen treffen. Komplett wird das Erlebnis des Stücks erst durch die Komposition von Fiete Wachholtz, der Musik und Soundeffekte erschaffen hat, die die Geschichte erst vervollständigen. Der Regisseur ist sich sicher: „Für die Zuseher:innen ist das Erlebnis ein ganz besonderes. Denn sie sehen sowohl die Zaubertricks, die eine große Macht haben, aber sie erleben auch live mit, wie diese Zaubertricks entstehen. Das macht das Projekt auch fürs Publikum so spannend. Denn diese müssen sich entscheiden wohin sie sehen und ihren Fokus richten. Und ich kann versprechen, es gibt viel zu sehen.“ 

 

Animationsplatte Karl Uhlenbrock
Von wegen veraltete Technik: Auf vier Overhead-Projektoren werden die Projektionen inszeniert. Foto: Karl Uhlenbrock   

-sg 

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