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Künstliche Intelligenz erobert immer öfter Bühnenproduktionen. Doch was kann die Technologie leisten? Ein Gespräch mit der KI-Künstlerin Cecilie Waagner Falkenstrøm.

Cecilie Waagner Falkenstrøm, Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde. Sehen Sie einen Hype für Bühnenproduktionen?

 Cecilie Waagner Falkenstrøm: Das maschinelle Lernen ist sicher eine sehr spannende Technologie. Die Schnittstelle zwischen künstlerischem Ausdruck und Informatik ermöglicht neue künstlerische Wege. Es ist jedoch wichtig anzuerkennen, dass die wichtigsten Entscheidungen fest in den Händen der menschlichen Schöpfer:innen bleiben. KI ist letztendlich nur eine Abfolge von Einsen und Nullen, die so codiert ist, dass sie menschliche Eigenschaften, Gefühle und Absichten nachahmt. In welche kreative Richtung ein Bühnenstück geht und was bei den Zuseher:innen emotionalen Anklang findet – das entscheidet weiterhin der Mensch.

Für die Performance „SH4D0W“ haben Sie einen KI-Charakter entwickelt, der sowohl mit einer Schauspielerin als auch mit dem Publikum auf der Bühne aktiv interagiert. Wie ist das technisch möglich?

Der vermenschlichte KI-Protagonist erwacht durch die komplizierte Integration verschiedener Technologien des maschinellen Lernens in eine maßgeschneiderte Backend-Struktur zum Leben. Dreh- und Angelpunkt der SH4D0W-Performance ist der Einsatz von Large Language Models (LLM). Sie versetzen die KI-Figur in die Lage, an Dialogen teilzunehmen und zum Aufbau der Erzählung beizutragen. Das richtig spannende Potenzial von KI im Theater ist, dass sie unvorhersehbare Live-Interaktionen schaffen kann. So verwandelt KI jede Aufführung in ein einzigartiges und unverwechselbares Ereignis.

SH4DOW war 2022 auch in Österreich auf der Ars Electronica zu sehen: Mit welchen technischen Herausforderungen waren Sie bei dieser KI-Produktion konfrontiert?

Als wir 2020 mit der Entwicklung von SH4D0W begannen, war das GPT-Modell noch nicht so weit entwickelt wie heute. Zu Beginn war es schon eine große Leistung, kohärente Sätze zu erzeugen. Besonders schwer war es, die KI mit der Fähigkeit auszustatten, Intentionalität, Handlungsfähigkeit und emotionale Tiefe zu simulieren. Im Laufe der Zeit haben wir unser GPT-Modell aber immer weiter verfeinert und ein robustes System geschaffen. Jetzt ist es in der Lage, komplexe Gespräche zu führen und komplizierte Handlungsstränge zu formen. 

Wie ist Ihnen das gelungen?

 Wir haben verschiedene GPT-Modelle eingesetzt, die es dem KI-Charakter ermöglichen, seine Persönlichkeit in Echtzeit zu entwickeln. Das passiert, während sich die Performance entfaltet. Darüber hinaus entwickelt sich die übergreifende Storyline selbst mithilfe von GPT. Unsere maßgeschneiderte Software nutzt außerdem die Interaktion zwischen GPT-Modellen und anderen Komponenten des maschinellen Lernens, etwa Sprachsynthese, Spracherkennung, Stimmungsanalyse, Computer-Vision und Animationen. All das zusammen verwandelt die KI in einen Live-Darsteller auf der Bühne. 

Welche Auswirkungen wird KI denn Ihrer Meinung nach mit diesen beeindruckenden Möglichkeiten auf technische Berufe im Theater- und Veranstaltungsbereich haben?

 In der Zukunft wird die KI dieses Berufsfeld sicher neu gestalten. Der Bedarf an technischem Personal wird bestehen bleiben, aber mit veränderten Qualifikationsanforderungen. Die Automatisierung wird Routineaufgaben übernehmen und Fachleute wird es für die Zusammenarbeit mit KI-Systemen brauchen. Die Beherrschung von KI-Tools, Datenanalyse, Cybersicherheit und kreative Problemlösungen sind also dann die wichtigen Kompetenzen. Jene technischen Expert:innen, die sich neue Fähigkeiten aneignen, werden weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Unterhaltungsindustrie leisten. 

Zum Abschluss: Was sehen Sie beim Einsatz von KI in der Kunst denn kritisch?

Es geht um die richtige Balance. Künstler:innen, die KI-Tools einsetzen, müssen KI als Werkzeug verstehen und aber ihre kreative Authentizität wahren. Das Wichtigste ist die Entscheidung vor einer Produktion: Wann und wie soll KI eingesetzt werden? Tut es der Kunst gut oder nicht? Geht die Kunst mit dieser Frage verantwortungsvoll um, verspricht die KI-Technologie viel kreatives Potenzial: vom Schreiben von Drehbüchern und der Entwicklung von Charakteren bis hin zur digitalen Szenografie und KI-gesteuerten Darsteller:innen 

 Die KI-Künstlerin Cecilie Waagner Falkenstrøm setzt auf die richtige Balancezwischen Mensch und KI. Foto: Carl Emil Carlsen

Die KI-Künstlerin Cecilie Waagner Falkenstrøm setzt in ihrer 3D-Inszenierung auf die richtige Balancezwischen Mensch und KI. Foto: Carl Emil Carlsen  

SH4DOW
Die Bühnenperformance "SH4DOW" ist eine immersive 3D-Inszenierung, die von HC Andersens Märchen "Der Schatten" inspiriert ist. Der Regisseur Mikael Fock inszeniert mit einem Team von Technologie-Künstler: innen eine der weltweit ersten Theaterproduktion, in der eine künstliche Intelligenz die Hauptrolle spielt. Teil der Crew ist die preisgekrönte dänische Künstlerin Cecilie Waagner Falkenstrøm, die künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen einsetzt, um interaktive Kunstwerke zu schaffen. Im Mittelpunkt des Stücks steht die Begegnung des Menschen mit seinem virtuellen Schatten, der durch die uns umgebenden datengesteuerten künstlichen Intelligenzen repräsentiert wird.

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