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Die Milchfrau nach Alja Rachmanowa im Kosmos Theater. Nanna Neudeck von makemake produktionen hat das das schlichte und dennoch aufwändige Bühnenbild konzipiert. Wir haben sie zum Interview gebeten.

 

Prospect: Was war die Idee hinter dem Wasser?

Nanna Neudeck: Es ist eine schnelle Bauchentscheidung gewesen. Wir wollten immer schon mit Wasser arbeiten, allerdings ist das an mittelgroßen Bühnen oder denkmalgeschützten Häusern wahnsinnig schwer umzusetzen. Es ist nicht einfach, gerade bei einer Drehbühne haben die Techniker die Sorge, dass das Wasser auf die Unterbühne oder wohin auch immer rinnt.

Wie ist das Becken auf der Drehbühne aufgebaut?

Die unterste Schicht ist aus einer Lage Teichfolie. Die Randkonstruktion ist aus Latten gebaut. In der Mitte liegen Ringermatten, damit das Fallen der Schauspieler:innen abgefedert wird, dann kommt nochmals Teichfolie darüber und der Rand. Ich habe ein Rohr biegen lassen, an dem sich die Blende orientiert. Das Wasser wird von Tanks hineingepumpt. Entleert wird durch Absaugen und der Rest wird gekärchert. Die Pumpen sind super. Die saugen auf fast 1 mm.

Was waren die besonderen Herausforderungen?

Es gab viele Hürden. Wir haben hart gelernt, was es alles braucht, wie es funktioniert, was man alles beachten muss. Zum Stückbeginn haben alle Mäntel an und legen sich damit ins Wasser. In einer Szene setzt sich der Schauspieler mit seinem Mantel am Rand der Drehscheibe und das hat das Holz so aufgeweicht, dass das Antriebsrad durchrutschte. Es dauert, bis du draufkommst, dass das wegen der Stelle ist, wo jemand 20 Minuten vorher saß. Es war oft undurchschaubar, warum etwas gerade nicht funktioniert. Die IBC-Tanks werden mit einer Umlaufpumpe und einem Wärmetauscher geheizt. Für den Wärmetauscher wollte ich ein Backup haben. Ein Freund borgte mir Milchflaschenwärmer. Das funktioniert, sie heizen mit 2 KW und brauchen nur etwas länger. Im Nachhinein finde ich es lustig. Wir spielen die Milchfrau mit 27 Milchkannen und haben Milchflaschenwärmer als Backup.

Worauf muss man noch zusätzlich achten?

Alle unsere Fehler waren handgemacht, die Technik hat nie versagt. Wir haben etwas vergessen und dann hat die Technik versagt. Das Wasser braucht 15 Minuten um in die Tanks zu rinnen. Du machst in der Zwischenzeit andere Dinge, in einem anderen Raum, und der Tank läuft über.

Arbeitest du mit einer Checkliste?

Das sollte ich! Wir haben keinen Techniker, der dieses Stück betraut. Das ganze Projekt ist anstrengend. Eine 8,80 m Drehbühne in den Keller zu tragen ist schwer. Wir haben die gesamte Eindeckelung, den ganzen Boden, neu bauen lassen. Die Platten waren 5 m lang. Niemand von uns hat einen LKW-Führerschein, wir fahren mit 3,5 Tonner. Ein Trennschnitt war nötig, damit die Platten in das Fahrzeug passten und wir sie hinuntertragen konnten. Ein Haus kann simple Dinge wie LKW-Transporte leisten, die für uns einen enormen Aufwand bedeuten. Wir fahren drei Mal, um die Bühne wegzubringen und zu lagern.

Wer steht hinter makemake produktionen?

makemake ist ein Kollektiv. Es gibt uns seit 12 Jahren. Wir sind eine Gruppe aus sechs Leuten: Regie, Bühne und Kostüme, Choreografie/Performance, Dramaturgie, Schauspiel und Produktion. Alle anderen sind Gäste. Livemusik haben wir fast immer. Viele von den Schauspieler:innen kennen wir schon lange. Wir arbeiten gerne mit Leuten, die wir kennen und schätzen. Wir bekommen eine Vierjahresförderung der Stadt Wien für Kinder- und Jugendtheater sowie für Erwachsenentheater und spielen je eine Produktion im Jahr. Die Erwachsenenproduktionen spielen wir fast immer im Kosmos Theater.

Was ist dir persönlich wichtig?

Man könnte das alles nie machen, gäbe es nicht so tolle Menschen, die enorm kompetent sind. Ohne diese Menschen, die in allen Dingen wesentlich mehr Erfahrung haben, die wissen, dass man Probleme manchmal von heute auf morgen lösen muss – ohne diese Menschen würde ich mich über so etwas nicht drüber trauen.

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Nanna Neudeck in der Mitte ihres Kollektivs makemake produktionen. Foto: Apollonia T. Bitzan  

Die Hintergründe zur Milchfrau

Die Milchfrau beruht auf ein Tagebuch aus den dunklen Jahren der Zwischenkriegszeit. Das Theaterstück versetzt das Publikum in einen Wiener Alltag, der von bitterer Armut, dem täglichen Kampf ums Überleben und bösen Vorahnungen geprägt ist. Die russische Schriftstellerin Alja Rachmanova erlebte als Studentin die Russische Revolution, wurde mit ihrem Mann, dem Österreicher Arnulf von Hoyer und dem gemeinsamen Sohn aus ihrer Heimat ausgewiesen und sicherte als Milchfrau in Wien das Überleben ihrer Familie. Was sie in diesen Jahren erlebte, ist im Buch, „Milchfrau in Ottakring“, festgehalten.

Die Bühnenfassung: Die Szenen des Theaterstücks zeichnen Rachmanowas Erinnerungen nach. Auf der Bühne wechseln sich Hoffnung und Verzweiflung, Liebe und Leid in Texten und Liedern ab. Das Spiel im Wasser betont die Körpersprache, vermittelt unterschwellig das Ungesagte, das Gedachte, die Widersprüche und die Gefühlswelt. Das Publikum lebt mit. Die Wiederaufnahme-Premiere von „Die Milchfrau“ war ausverkauft. Das Publikum würdigte die Vorstellung im Kosmos Theater, eine Koproduktion mit makemake produktionen, mit Standing Ovations.

-apb

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