Das raue, tosende Meer, das gegen die Felsen schlägt, während der Wind über die norwegische Fjordlandschaft pfeift. Rund 400 Jahre vor unserer Zeit verliert sich die mutige Kapitänstochter Senta in sehnsüchtigen Tagträumen von einem verfluchten Seefahrer, der dazu verdammt ist, ewig über die Meere zu treiben. Nur alle sieben Jahre darf er an Land, in der Hoffnung, durch die unerschütterliche Liebe einer Frau erlöst zu werden. Diese Vorstellung fasziniert Senta ebenso sehr, wie sie sie erschauern lässt – eine Liebe, die stärker ist als der Tod. Aber wird sie ihn retten können? Oder wird er sie am Ende mit ins Unglück reißen? Genau dieser Frage geht die Oper im Steinbruch Margarethen bei der diesjährigen Produktion vom 9. Juli bis zum 23. August nach. Kein Komponist vor Richard Wagner hat das tosende Meer so gewaltig in Musik gegossen, kein anderer hat das Grauen und die unheimliche Faszination eines Geisterschiffs mit solch schicksalhafter Wucht vertont. Wie Wagner seinen verdammten Seemann singen lässt: „Wann alle Toten auferstehen, dann werde ich in Nichts vergehn. Ihr Welten, endet euren Lauf! Ew'ge Vernichtung, nimm mich auf!“
Sehnsuchtsort Meer
Genau dieses Gefühl will Bühnenbildner Momme Hinrichs in den Szenen abbilden. Schon bei der Präsentation im Herbst 2023 erklärte er: „Ich habe selten erlebt, dass ein Ort und eine Bühne so sehr nach einem Stück schreien. Wir haben den Steinbruch nicht mit einem Bühnenbild ausgestattet – wir haben ihn nur eingekleidet, denn das meiste war schon da.“ Die Bühne wurde seit dem Vorjahr vergrößert und ist inzwischen 80 m breit und 20 m tief. 2025 stehen 1.600 m2 zur Verfügung, auf denen die Zuschauer:innen in eine norwegische Fjordlandschaft entführt werden. Das Lichtdesign integriert die Felsen rundherum, wodurch die Szenerie noch imposanter wirkt. Momme Hinrichs erklärt im Interview: „Wir befinden uns mit dem Stück in der Hochphase der Romantik, einer Zeit des gesellschaftlichen Wandels, in der sich auch die Rolle der Frauen verändert. Senta steht für eine Figur, die sich nicht unterwirft, sondern ihren eigenen Weg sucht – trotz der Erwartungen in einer männerdominierten Welt. Für sie steht der Sehnsuchtsort Meer an erster Stelle. Und das soll für den Zuschauer:innen auch greifbar werden.“ Die Bühne ist im Bild durch das Meer begrenzt – ein Symbol für Verheißung und Gefahr zugleich, genau wie es das Stück vorsieht.
Ein Highlight der Bühne sind die beweglichen Elemente: Die Fronten der Häuser öffnen sich, um die Szenen in den Räumen zu zeigen. (Foto: Esterhazy Kulturbetriebe / Momme Hinrichs)
Fulminantes Spektakel
Das Bühnenbild vom Vorjahr wurde zu rund 80 % recycelt. Ein Obelisk aus der Inszenierung von Aida wird heuer zum Leuchtturm umgestaltet, auch der Bühnenboden wird wieder verwendet. Andere Dekorationsteile gingen an lokale Theater. Bei der Konstruktion des Bühnenbildes wird von Anfang an die Inszenierung mitgedacht. Neu erschaffen wird ein 18 Meter hohes Schiff, das wie aus dem Nichts auftaucht und als zentrales Element in einer Szenerie erscheint, die an ein Ölgemälde erinnert. Da auf dem Schiff Stuntleute turnen werden, entschied man sich für einen stabilen Stahlbau als Unterkonstruktion, während für den Rest des Bühnenbilds größtenteils Holz auf Gerüstbau verwendet wird. Um den Zuschauer:innen das bestmögliche Erlebnis zu bieten, wird mit verschiedenen Effekten gearbeitet. Ein riesiges Geisterschiff soll plötzlich aus dem Dunkel auftauchen – ermöglicht durch ein Teleskopsystem, das den Mast erst im entscheidenden Moment sichtbar macht. Die größte Welle wird etwa 12 Meter hoch sein, und all diese Elemente müssen nicht nur stabil, sondern auch bespielbar sein. Das Haus der Senta öffnet sich nach unten, während Videoprojektionen, Feuer und Stunts für zusätzliche Dramatik sorgen. Momme Hinrichs kündigt an: „Es wird so spektakulär, wie ein Open-Air-Abend in St. Margarethen sein muss.“
Das Bühnenbild arbeitet mit unterschiedlichen Effekten: Ein Highlight ist eine 12 m hohe Welle. (Foto: Esterhazy Kulturbetriebe / Momme Hinrichs)
Herausforderung Tonverbau
Eine der größten Herausforderungen bei diesem Bühnenbild ist der Ton, genauer gesagt die Platzierung der Lautsprecher. Momme Hinrichs erklärt: „Wir haben eine extrem breite und tiefe Bühne, dazu große Wellen, Felsen und Gebäude – das macht es anspruchsvoll, die Lautsprecher unauffällig zu integrieren.“ Auch die technischen Leiter Herbert Herl und Engelbert Edelhofer beschäftigen sich intensiv mit dieser Problematik: „Wir haben den Steinbruch exakt vermessen lassen, um den Ton optimal zu planen. Das Bühnenbild muss so angepasst werden, dass die Lautsprecher unsichtbar bleiben, ohne die Klangqualität zu beeinträchtigen.“ Besonders spannend für die technischen Abteilungen ist der Chor: Statt wie in den vergangenen Jahren aus dem Off zu singen, wird er diesmal auf der Bühne stehen und direkt ins Geschehen integriert. Alle 68 Sänger:innen werden mikrofoniert und getrackt, damit das Publikum durch ein Richtungsmischsystem die Stimmen aus der jeweiligen Position auf der Bühne hören kann.
Die extrem tiefe Bühne mit Wellen, Felsen und Gebäuden im Bühnenbild macht es sehr anspruchsvoll, den Ton zu steuern. (Foto: Esterhazy Kulturbetriebe / Momme Hinrichs)
Die Natur als unberechenbarer Mitspieler
Rund 80 Mikrofone laufen damit in diesem Jahr über das Mischpult. Engelbert Edelhofer erklärt: „Jeden Abend vor der Vorstellung messen wir das Tonsystem neu ein und passen es an. Bei Open-Air-Aufführungen spielen Luftfeuchtigkeit und Wind eine große Rolle – unser Ziel ist es, trotz wechselnder Bedingungen eine gleichbleibend hohe Klangqualität zu gewährleisten.“ Die unvorhersehbaren Witterungsverhältnisse sind eine zusätzliche Herausforderung – und zugleich ein einzigartiges Element. Momme Hinrichs erklärt: „Alles muss wetterfest sein – innerhalb eines Sommers wird es regnen, vielleicht sogar stürmen. Das müssen wir von Anfang an einkalkulieren.“ Doch genau diese Wetterkapriolen sind es, die jede Aufführung zu einem besonderen Erlebnis machen. An einem Abend mag Senta unter klarem Sternenhimmel auf das Meer blicken – am nächsten wird der Wind an ihrem Kleid zerren. Kein Abend ist wie der andere. Wie Wagner in seiner Oper schrieb: „Ach, lieber Südwind, blas noch mehr! Mein Mädel verlangt nach mir.“
Feuer, Wasser, Wind: Die Inszenierung lässt kaum einen Effekt aus und nutzt alle Gegebenheiten des Steinbruchs aus. (Foto: Esterhazy Kulturbetriebe / Momme Hinrichs)
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