Anlässlich dieses Jubiläums gibt das Theatermuseum im Burgtheater mit einer Ausstellung ein Gastspiel, das die wechselvolle Geschichte dieses Hauses von der Gründungszeit am Michaelerplatz über die glanzvolle Übersiedlung in das neue Haus am Ring bis in die Gegenwart nachzeichnet.
Exponate aus zwei Jahrhunderten – historische Kostüme, originale Handschriften, Bühnenbildentwürfe, Fotografien und Theaterprogramme – eröffnen einen einzigartigen Blick auf die Welt dieses Theaters. Sie erzählen von den großen Persönlichkeiten auf und hinter der Bühne, von legendären Aufführungen, politischer Vereinnahmung, technischen Innovationen und gesellschaftlichen Erwartungen an „das Theater der Nation“.

Zuschauerraum des Alten Burgtheaters, von der Bühne aus gesehen Heliogravüre nach dem Gemälde von Gustav Klimt, 1888 © KHM-Museumsverband, Theatermuseum
Die Ausstellung macht sichtbar, was die „Burg“ in den letzten zweieinhalb Jahrhunderten bewegt hat – und wie diese Bühne bis heute für lebendige Theaterkultur steht.
Die Schau ist eine Kooperation des Theatermuseums mit dem Burgtheater und kann vom 4. November 2025 bis zum 30. Juni 2026 im 2. Pausenfoyer des Burgtheaters mit einem gültigen Aufführungsticket ab 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn und in den Pausen besichtigt werden. Zusätzliche Führungen gewähren vertiefende Einblicke hinter die Kulissen der 250-jährigen Geschichte der Burg.
Die Burg: Bühne einer Nation
Den Ausgangspunkt der Ausstellung bildet das Modell des Alten Burgtheaters am Michaelerplatz – ein faszinierendes Exponat, das die barocke Theatertechnik sichtbar macht: von Flugmaschinen über raffinierte Lichtsysteme bis hin zu jenen „Telari-Wägelchen“, die blitzschnelle Kulissenwechsel ermöglichten. Das Gebäude war ein kultureller Magnet im Wien des 18. und 19. Jahrhunderts, bevor es 1888 abgerissen wurde, da es in keiner Weise den damals aktuellsten Sicherheits- und Komfortstandards entsprach. Der Abschied von der geliebten Institution gestaltete sich höchst emotional: Nach dem Ende der letzten Vorstellung höhlten die Zuschauer*innen das Gebäude sprichwörtlich aus: Tapetenstücke, Vorhangteile, Wandverzierungen und sogar Holzstücke aus dem Bühnenboden fanden als Souvenirs den Weg in ihre Häuser und Wohnungen.

Das Alte Burgtheater am Michaelerplatz, Radierung (anonym), o. Dat. (um 1780) © KHM-Museumsverband, Theatermuseum
Mit dem Umzug in das neue Haus am Ring, entworfen von Gottfried Semper und Carl von Hasenauer, begann eine neue Ära – architektonisch imposant, technisch modern, aber in der Anfangszeit akustisch problematisch. Die Ausstellung erzählt diese Transformation nicht nur anhand der Baugeschichte, sondern verknüpft sie mit den Menschen auf, vor und hinter der Bühne. So etwa mit der gefeierten Schauspielerin Charlotte Wolter, die sich in ihrer Rolle als Adelheid in Götz von Berlichingen mit luxuriösen Kostümen selbst zur Kunstfigur stilisierte – und damit früh den Begriff des Bühnenstars prägte.

Außenansicht des neuen Burgtheaters Fotogravüre von Richard Paulussen nach einer Fotografie von Carl Grail, 1894 © KHM-Museumsverband, Theatermuseum
Ein eigenes Kapitel ist dem Mythos des „Burgtheaterdeutsch“ gewidmet – jenem getragenen, präzisen Sprachstil, der einst als Ideal der Hochkultur galt. Heute wirken historische Tonaufnahmen oft manieriert, doch sie offenbaren, wie eng Sprache, Identität und Repräsentation einst miteinander verwoben waren. Besonders in der Zwischenkriegszeit und während des Nationalsozialismus wird deutlich, wie das Theater auch zur Projektionsfläche politischer Narrative wurde.
Das Burgtheater im Spiegel der Zeiten
Der kuratorische Fokus liegt auf dem Zeitraum von 1914 bis 1955, einer Periode, die das Burgtheater mehrfach erschütterte – und doch weiterbestehen ließ. Bühnenbildfotografien aus dem Ersten Weltkrieg belegen den Gestaltungswillen von Künstlern wie Alfred Roller. Auch während der NS-Zeit wurde gespielt – unter ideologischer Einflussnahme und mit propagandistischen Zielen. Zugleich lässt sich an Regisseuren, Schauspieler*innen und Ausstattungen ablesen, wie ambivalent die Rolle des Burgtheaters war: sowohl Mitläufer als auch Rückzugsort, Bühne für Systemkonforme wie für künstlerische Experimente.
Ein beeindruckendes Beispiel für die künstlerische Handschrift des 20. Jahrhunderts ist die Arbeit des Bildhauers Fritz Wotruba, der gemeinsam mit Gustav Rudolf Sellner die Bühnenbilder und Kostüme für einen Sophokles-Zyklus entwickelte. Seine kubischen Formen und schweren Materialien machten die Bühne selbst zur Skulptur – ein radikaler Bruch mit dem illusionistischen Theaterbild früherer Jahrzehnte. Diese Verbindung von Konzeptkunst und dramatischem Text unterstreicht, wie sehr das Burgtheater auch Experimentierfeld war.
Theatergeschichte abseits des Rampenlichts
Die Schau wirft ebenso Schlaglichter auf eher unterschätzte Aspekte der Theatergeschichte: Plakate, die erst ab den 1970er-Jahren eine visuelle Sprache entwickelten, Programmhefte, deren Gestaltung Aufschluss über kulturpolitische Strömungen gibt, oder Funduskostüme, die von jahrzehntelanger Nutzung und Wandel zeugen. Auch die Aufführungspraxis von Shakespeares Macbeth über zwei Jahrhunderte hinweg zeigt eindrucksvoll, wie sich Bühnenästhetik und Dramaturgie verschoben haben – von naturalistischen Kulissen hin zu abstrakten Symbolräumen.
Neubeginn mit Symbolkraft
Den Schlusspunkt setzt die Wiedereröffnung des Hauses 1955 – wenige Monate nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags. Grillparzers König Ottokars Glück und Ende wurde als patriotisches Zeichen des Neubeginns inszeniert, mit prägnanten Kostümen von Elli Rolf, die historischen Stil mit dem Formgefühl der 1950er Jahre verband. Auch dies ist Teil der Ausstellung: Wie sich politische Zäsuren in künstlerischen Entscheidungen niederschlagen und wie sehr Theater auch eine Form der Selbstvergewisserung sein kann.
Die Ausstellung ist keine bloße Rückschau auf große Namen und Momente. Sie zeigt das Burgtheater als Spiegel einer Gesellschaft im Wandel, als Bühne der Macht, aber auch als Ort der Zwischentöne.
Die Schau wurde vom Team der Kuratorinnen und Kuratoren des Theatermuseums konzipiert. Gerhard Veigel hat die Ausstellung gestaltet.
